Ja, geht’s noch?! Genug ist genug. – Aber es hört doch einfach nicht auf! Es hört nicht auf!
„Denn mit Blindheit sind wir geschlagen, mit der Blindheit, von der geschrieben steht, dass sie uns befallen wird vor dem Ende der Zeiten. Wir erkennen in der Tat nicht mehr, seit langem nicht mehr, das Wesen und das Angesicht der Dinge, die uns begegnen … Da wir blind geworden sind, wenden wir Namen und Bezeichnungen unrichtig an. Wir nennen einen Großen klein, einen Kleinen groß; das Schwarze weiß und das Weiße schwarz; den Schatten Licht und das Licht Schatten; das Bunte tot und das Tote bunt. Also verlieren Namen und Bezeichnungen Inhalt und Bedeutung. Es ist schlimmer als zur Zeit des Turmbaus zu Babel.“ ((Joseph Roth: Der Antichrist. In: Ders. Romane, Erzählungen, Aufsätze. Köln, Berlin. 1964 S. 617))
Also, verdammt – noch mal: Populismus.
Bisher habt ihr schnittigen Journalisten doch das Wort als wunderbar unscharf geliebt und in Mode gebracht, weil man damit allgemein nebulös alles beschimpfen konnte, was nicht euren konservativen Vorstellungen entsprach und deshalb als bedrohlich abzulehnen war. Herrlich dieser „Populismus“. Nein, nicht das mir dem Wort Gemeinte – was auch immer es sein mochte -, sondern das Wort.
Manchmal gibt auch jemand “seine” fachmännische Definition: “Populisten behaupten stets, sie und nur sie verträten das Volk” ((Jan Werner Müller, Professor für Politische Theorie in Princeton. In der “Süddeutschen Zeitung 13.2.17)) Schäuble sagt über Martin Schulz: “Die Art, wie er populistisch die angebliche Spaltung der Gesellschaft beschwört, folgt der postfaktischen Methode des US-Wahlkampfs.” ((im Spiegel laut “Süddeutsche Zeitung 13.2.17 “Die Anti-Schulz-Papiere”)) Wenn da jemand von einer Spaltung der Gesellschaft spricht, dann beschwört er sie und dann widerspricht das den Fakten und ist folglich ganz klar “populistisch”. Und ein Schäuble ist ja sowas wie ein Experte. [htsP anchor_text=”weiterlesen”]
Heribert Prantl nennt ((in der „Süddeutschen Zeitung 30.1.17)) Martin Schulz auch einen „Populisten“ und meint dann aber: „Das ist nichts Schlimmes. Im Gegenteil.“ Im Gegenteil??!! Oho – oha – nanu? Denn Schulz, so Prantl, könne „sehr populär predigen, so dass ihn die Leute verstehen und spüren, dass Leidenschaft in ihm steckt.“ „Politik populär vortragen“, das sei populistisch, „der Überschwang, das Feuer, die Begeisterung“. Nicht Populismus sei also schlecht ((Prantl schreibt lustiger Weise: „Nicht das Wort ist nämlich schlecht“. Dem muss aber heftig widersprochen werden, da das Wort … s.o.)), sondern der Extremismus der Rechtspopulisten, der sich in Nationalismus, Ausgrenzung und Ausländerfeindlichkeit äußere.
Dass auch der Papst populistisch ist ((vgl. Beitrag vom 23.9.15 “Neues vom Populismus”; auch der Schriftsteller Martin Mosebach hält den Papst für populistisch.)), wenn er eine Spaltung der Gesellschaft sieht, versteht sich. Oder ist er “linksradikal” wie die spanische Nonne Teresa Focades, die sich für Frauenrechte einsetzt und den Kapitalismus kritisiert? ((Fabian Federl in “Süddeutsche Zeitung 4.2.17)) Wahrscheinlich ist sie einfach nur “populistisch”. Und postfaktisch verblendet. Was meinen Sie, Herr Schäuble?
Auch die “Süddeutsche Zeitung” meint, dass der Papst “ein bisschen Populist” sei, worauf ihr Kardinal Marx entgegnet, dass wahrscheinlich “wir alle irgenwie (!) Populisten” seien – allerdings nicht von der Art Populismus, der “aufhetzen” will. Als die “Süddeutsche” dann allerdings auch noch Jesus zum Populisten erklären will, ist Marx nicht einverstanden.((Süddeutsche Zeitung 20.11.17))
Alle Höckes aufstehen und zur Tür gehen! Wir konnten euch bisher nicht ausstehen, weil ihr rechtsradikale Dumpfbacken seid. Jetzt nennen wir euch “einfach” populistisch, oder doch nicht “einfach”?.
Fehlen einem da die Worte? Wenn ja, wem?
„Es ist schlimmer als zur Zeit des Turmbaus zu Babel.“ [/htsP]