Es war einmal ein Fischer, der ging alle Tage ans Meer und angelte und angelte und angelte … Und eines Tages fing er zu seiner nicht geringen Überraschung tatsächlich einen Fisch, sogar einen ganz dicken Fisch. Der war aber nicht wirklich ein Fisch, sondern hatte sich nur als ein solcher verkleidet. In Wirklichkeit war er ein ziemlich adipöser Wirtschaftskapitän, der Stefan Prinz hieß und sich aufgrund eines Navi-Fehlers in seiner Turbo-Diesel-Neopren-Fisch-Ausrüstung-Verkleidung auf der Flucht vor den Steuerbehörden verirrt hatte. “Oh“, freute sich der Fischer still, der unter der im Grunde lächerlichen Kostümierung sofort den Geldsack erkannt hatte. Und weiter dachte er: “Beziehungen sind gut. Damit kann man es weit bringen. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich daraus nicht Kapital schlagen lässt.“
Ein perfekter Start-up
Er zog ihm vorsichtig den Haken aus dem Maul und sagte dann: „Hören Sie zu, mein Freund – ich darf Sie doch so nennen? -, ich bin gerade etwas knapp. Wenn Sie mir von Ihrem Schwarzgeld eine für Ihre Verhältnisse eher bescheidene Summe zur Verfügung stellen, kann ich schweigen wie ein Butt. Ich brauche nur einen Batzen Geld als Startkapital. Ich werde damit Geld verdienen, indem ich anderen kluge Ratschläge erteile, auf die sie selbst nie im Leben kommen würden, z.B. Firmen raten, dass sie Personal einsparen sollten, wenn sie ihren Gewinn vergrößern wollen. Meine PR-Agentur wird ganz schnell soviel Geld einbringen, dass ich Ihnen Ihr vorgestrecktes Kapital bald mit einer garantierten Verzinsung von – sagen wir – acht Prozent zurückzahlen werde. Alternativ könnte ich Sie natürlich auch im Meer ersäufen, denn Sie hängen ja an meiner Angel.“ Prinz schimpfte zunächst über die „Erpressung“, unterschrieb aber dann einen entsprechenden Kontrakt, denn acht Prozent waren nicht zu verachten. Darauf zog ihm der Fischer den Haken aus dem Maul und der Prinz verschloss seine Turbo-Diesel-Neopren-Fisch-Ausrüstung, sprang ins Wasser und machte sich unter Glucker- und Motorgeräuschen davon in eine seiner geliebten Steueroasen.
Ein renommiertes Unternehmen
Der Fischer aber kaufte sich einen großen Palast am Meer, nannte sich Fischer-Köder und gründete seine PR Agentur. Und weil der Besitz so eines repräsentativen Gebäudes auf einen erfolgreichen Geschäftsmann als Besitzer hindeutete und weil Prinz bei seinen vielen reichen Geschäftsfreunden für Fischer-Köder warb – es ging schließlich um acht Prozent – , rannten ihm nicht nur eine Menge anderer adipöser Wirtschaftskapitäne, sondern auch deren Freunde, eine Reihe von an sich unauffälligen Politikern mit Aufstiegsambitionen, die Türen ein. Und auf einfache, wenn auch skrupellose Weise verstand es Fischer-Köder, ihnen mit simplen Ideen Erfolg zu verschaffen.
Man macht als PR-Agentur gute Geschäfte, besonders natürlich wenn z.B. ein Milliardär wie Bloomberg in den USA seine Dienste beansprucht. Er hat bisher angeblich schon 300 000 000 $in den Wahlkampf investiert und: „Erstklassige Wahlwerbung hat Bloombergs Umfragewerte nach oben schießen lassen.“ (Süddeutsche Zeitung 21.2.20) Und weil diese Leute wussten, dass man mit Geld alles kaufen kann, standen sie mit Säcken voller Geld vor Fischer-Köders Büro Schlange.
Erfolgreiche Wahlkampfslogans
Gerne kamen auch die Politiker, denn von Fischer stammen so attraktive Wahlslogans, wie „Wir lieben dich. Darum wähle uns.“ Oder: „Mit uns wird alles bleiben, wie es ist.“ Einer seiner besten Ideen war, bei Wahlkämpfen möglichst inhaltsleere, aber bedeutungsschwangere Aussagen zu machen. „Wir sind die Mitte.“ Oder: „Wir sind die Mitte der Mitte.“ Oder: „Wie sind die zentrale Mitte“. Oder: „Mitte statt Miete.“ Das mit der Mitte, war so genial, weil die Mitte ja eigentlich exklusiv ist, ein kleiner Punkt, umgeben von unendlich viel Raum. Und wenn sich z.B. eine Partei als „Mitte“ bezeichnet, dann kann sie, auch wenn sie nur eine kleine Klientel der Reichen vertritt, auf Wählerstimmen hoffen, egal,ob sie mit Höckes Nazis paktiert. Wenn sie dann hinterher sagt: „Oh, pardon, war nur ein Versehen!”, dann ist es „böswillig“, wenn jemand (wie SPD Generalsekretär Klingbeil) diese Entschuldigung einfach „ignoriert“ und dieser Partei „einen Platz in der Mitte abspricht“ (Daniel Brössler in der Süddeutschen Zeitung 26.2.20). Was soll man da erst von einer Partei sagen, die einen FDP-Abgeordneten zum Ministerpräsidenten wählt? Klar: Mitte!
Aber man muss natürlich andererseits alle anderen abwerten, z.B. wenn sie wie Bernie Sanders in den USA sozialdemokratische Aussagen machen (Krankenversicherung für alle). Dann darf ein Gegenspieler wie Trump ihn einen „Kommunisten“ nennen. Mit „Kommunist“, das braucht Fischer-Köder niemandem zu erklären, schießt man jeden ab. Wer nicht ganz klar „Mitte“ ist, muss ein Kommunist sein. Auch Putin darf dann z.B. für Norbert Röttgen gerne ein Kommunist sein, wenn dieser bei Anne Will die Linke abwertet, indem er behauptet, sie würde Putin unterstützen. Das war echt ein Hammer und hat die Linke zermalmt, weil ja niemand weiß, dass Putin zwar Russe (“Der Russe kommt!!”), aber gar kein Kommunist ist.
Priorität des Äußeren
Aber auf Politik darf sich der Politiker ohnehin nur im Notfall einlassen. Denn das nimmt das Volk ihm übel. Fischer-Köder hat immer wieder gemahnt: „Nichts Politisches sagen. Wer eine Position vertritt, schafft sich Gegner.“ Wert legt er hingegen auf Farben. Rot ist das Höllenfeuer, aber Magenta …
Natürlich müssen dann auch die Politiker auswechselbar sein. So darf z.B. in den USA der frauenfeindliche und rassistische Kandidat Bloomberg 1 nicht nur von den Republikanern zu den Demokraten wechseln, sondern auch weiterhin die gleichen reaktionären Reden halten wie vorher. Hauptsache, er gilt als “moderat”.2 .
Die Kunst des Lächelns
liberaler Lächler
Aber Reden sollte der Politiker ja eigentlich überhaupt nicht, am besten nur lächeln, denn mit Reden macht er sich angreifbar. Deshalb bietet Fischer-Köder auch Lächel-Kurse an, geleitet von professionellen Lächlern. Statt Aussagen zu machen, – so seine These – sollte man Bilder die Emotionen ansprechen lassen, Bilder von optimistisch lächelnden Menschen. Was ursprünglich einmal dazu diente, dass sich Programme mit bestimmten Personen verbanden, ist heutzutage frei von jederlei Programm, denn vielfach kennt man die Lächler gar nicht. Bei weiblichen Kandidaten kann man nicht widerstehen. Immer wieder führt Fischer-Köder Ursula von der Leyen als Beispiel an: “Sie hatte als Politikerin nur Misserfolge vorzuweisen. Aber wer kann jederzeit so spontan lächeln wie sie?! Das ist wirklich bezaubernd. Heute ist sie Präsidentin der Europäischen Kommission.” Oder Julia Klöckner – “sie hatte sich schon zur Weinprinzessin hochgelächelt”. So wie einst im Fernsehquiz bei Günter Jauch, wo sie sich alles vorsagen lassen musste 3, hat sie auch sonst von nichts eine Ahnung, aber sie ist Landwirtschaftsministerin. (Vor langer Zeit gab es schon einmal einen Landwirtschaftsminister von ähnlichem Intellekt: Heinrich Lübke. Er hatte es nur aufgrund seiner weißen Haare, die die Menschen als Zeichen der Weisheit ansahen, später sogar zum halb dementen Bundespräsidenten gebracht.)
Der Friseur als unerhört wichtiger Wahlkampfhelfer
„Ach, der ist ja hübsch, ach, die ist ja niedlich!“ Überhaupt sollten Politiker möglichst gut aussehen. Nicht zu dick und nicht zu dünn, nicht zu groß und nicht zu klein. Und sie sollten einen guten Friseur haben. Zur Not macht Fischer-Köder sie fotogen. Ein schwieriger Fall war der Minister Altmeier,
vorher
nachher
aber auch den hat Fischer-Köder getrimmt. Einer sich liberal nennenden Partei hat Fischer-Köder geraten, hübsche jüngere Frauen an die Spitze zu stellen. Die brauchen dann gar nichts zu sagen.Wenn sie nicht attraktiv genug sind, macht er sie natürlich zurecht. So hat er z.B. aus der FDP-Spitzenkandidatin im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf, die aussieht und auch so heißt (von Treuenfels) wie eine der reichen Damen aus den vornehmen Elbvororten, zu einem jugendlich dynamischen Weib umgeformt. Prompt hat sie – im reichen Elbvorort Blankenese – ein Direktmandat errungen. Auch die richtige Größe ist wie gesagt ungeheuer wichtig, wie man am Beispiel des eindrucksvollen Hochgewächses Trump sehen kann (1,90 m): Von oben herab verspottet er Michael Bloomberg als „Mini Mike“, weil der nur 1,70 m misst, wobei Trump seine Größe noch um 10 cm auf 1,60 m verkürzt, in der berechtigten Annahme, dass niemand sich einen Zollstock nehmen und Bloombergs Größe nachmessen wird.
Medien kaufen, Justiz einschüchtern
Trumps Beispiel hat auch gelehrt, dass man den größten Schwachsinn behaupten kann, wenn man die Medien gekauft hat. Daher ist es – so steht es groß in Fischer-Köders Handbuch – wichtig, die öffentlich-rechtlichen Medien zu beseitigen. Das hat er allen seinen Kunden eingetrichtert. Berlusconi, Orban4, Kaczyński, Erdogan haben hier vorbildlich agiert. Und Boris Johnson versucht gerade die BBC sturmreif zu schießen.
Wichtig sei auch, die Befugnisse der Justiz einzuschränken. Auch hier gehören Orban, Kaczyński, Erdogan zu den Pionieren, und Boris Johnson plant eine Entmachtung des britischen Verfassungsgerichts [etn_note]vgl. Kathrin Kahlweit in SZ 18.2.20[/etn_note].
Frau Fischer greift ein
Fischer-Köders Laden lief also wunderbar. Er dachte schon darüber nach, ob er bei der Papstwahl mitmischen könnte. Aber … Der Fischer hatte aber eine Frau, die deuchte sich viel klüger als ihr Mann. Die hatte er aus steuerlichen Gründen als seine hochbezahlte Beraterin eingestellt, ohne sie jedoch an seiner Arbeit zu beteiligen. Eines Tages jedoch kam sie, ohne zu klopfen. in sein Büro und sprach zu ihm: „Ihr Männer denkt immer, ihr wäret die Größten. Aber ständig fahren irgendwelche männliche Manager ihre Unternehmen an die Wand. Ab heute übernehme ich die Führung der Agentur. Du bist zukünftig nur noch hübsches Anhängsel zu Repräsentationszwecken.“ Und ehe der Mann auch nur seine Krawatte zurechtrücken konnte, hatte sie alle seine ausgestopften Fischtrophäen, seine Urkunden und Medaillen für herausragende Leistungen beim Fischfang von den Wänden geholt, in der Ecke des Raumes entsorgt und thronte hinter seinem Schreibtisch.
Mit dem ganzen persönliche Kram ihres Gatten hat sie aber auch die Leitlinien der Agentur entsorgt. Sie behauptete nämlich, dass eine Demokratie nur funktioniere, wenn argumentiert werde und dass nur die Intelligentesten und moralisch integre Personen regieren sollten. Nur sie würde das Volk wählen.
Der tiefe Fall des Aufsteigers
„Frau“, antwortete da der Fischer-Köder, „schweige, wenn du keine Ahnung hast. Glaubst du denn, die Wähler seien klug und integer und wollen deshalb auch von einen klugen Kopf regiert werden? Ach, wie töricht bist du! Erinnerst du dich nicht an ,Birne’, den dicken Kanzler Kohl? Im Land kursierten unzählige Witze über seine dummerhaftige Tapsigkeit. Und hat es ihm geschadet? Es hat ihm genützt. Die Menschen dachten, dass er so sei wie sie, und deshalb fanden sie ihn nett und haben ihn immer wieder gewählt. Das wäre noch bis in die Ewigkeit so weiter gegangen, wenn er es in seiner selbstherrlichen Schlitzohrigkeit nicht irgendwann zu weit getrieben hätte, so dass seine eigenen Leute ihn vom Thron stoßen mussten. Aber noch heute verehren ihn seine Wähler.“
Seine Frau zog ihre Stirn in Falten, holte tief Luft und dann schimpfte sie los: „Ach, du willst ja nur immer Recht haben, und ich soll immer die Dumme sein, egal was ich sage. Ich hasse dich.“ Und so begann ein heftige Beziehungskrise. Fischer-Köder verwies darauf, dass solche Trottel wie Trump oder Boris Johnson Wahlen gewinnen, obwohl sie baren Unsinn reden, leicht durchschaubare Lügen verbreiten, sich selbst widersprechen, sich wie Narren aufführen. Er erinnerte sie unter höhnischem Gelächter an den törichten Bunga- Bunga-Berlusconi. „Ich höre gar nicht hin“, rief seine Frau, hielt sich beide Ohren zu und sang laut: „Wenn du lachst – weiß ich, wo ich hin gehör“, den Hit von Helene Fischer.
Die neue Heimat der Fischer
Fischer-Köder wartete, bis sie außer Atem war und eine Pause einlegen musste, hielt dann ihre beiden Hände fest und fuhr, nachdem sie endlich erschöpft zu keinem Widerstand mehr fähig war, in seiner Rede fort, die sie immer wieder mit den Worten: „Ich höre gar nicht hin, tralala, wo ich hin gehör, tralala!“ zu unterbrechen suchte.
Sie hatte sich aber an den Chefstuhl angekettet und konnte nicht mehr entfernt werden. In der Folge verlor die Agentur schlagartig nahezu sämtliche solventen Kunden.
Schon fünf Tage nach ihrer Übernahme der Leitung steckte nach kurzem Klopfen ihr Sekretär seinen Kopf durch den Türspalt und teilte ihr mit, ein gewisser Herr Prinz verlange sie zu sprechen und drohe, dass sie, wenn sie nicht innerhalb von vierundzwanzig Stunden ihm sein Geld zukommen ließe, er dafür sorgen werde, dass sie und ihr Mann statt in ihrem Palast, so wörtlich, „in einem Pisspott wohnen“ würden.
Tatsächlich wurden die Fischers schneller, als sie es für möglich gehalten hatten, aus ihrem Palast vertrieben und wohnen seither in den Räumen einer ehemaligen Bedürfnisanstalt. Ihre Ehe hat diesen Abstieg nicht überstanden.
Ha, SPD, ihr habt’s geschafft: Groko forever! Es gab ja auch, nachdem die Führung vorgeprescht war, kein Zurück mehr.
Aber es sei kurz erinnert, bevor alles vorüber ist:
Bernie Sanders: zur Zeit der Vorwahlen Beliebtheitsgrad 54% ((Senator Bernie Sanders is the most popular politician in America, according to a new Harvard-Harris poll. In fact, the Vermont senator and former presidential candidate is the only politician in the U.S. who a majority of voters like. The poll, which drew responses from 2,263 voters across the political spectrum August 17 to 22, found 54 percent have a favorable view of Sanders, while 36 percent view him unfavorably. http://www.newsweek.com/bernie-sanders-most-popular-politician-655315))
James Corbyn (laut Springers Fox News n-tv „Altstalinist“) und Labour: bei den Wahlen in Großbritannien 40% gegenüber 42% der Konservativen
Sozialisten in Frankreich: 5 % ((Hollande hatte die Wahlen mit der Ankündigung gewonnen, die Ungleichheit und die Macht der Finanzwelt zu bekämpfen, und dazu u.a. einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent angekündigt, aber dann einen neoliberalen Kurs gesteuert.))
SPD: laut letzten Umfragen noch 14 % ((„Wie der PS in Frankreich versuchte auch die SPD , eine neoliberale Politik unter dem Deckmantel eines sozialen Programms zu verkaufen. Die SPD liberalisierte den Arbeitsmarkt und bereitete so die Armutswelle der Rentner von morgen vor. (…) Die erkämpfte Trophäe des Mindestlohns ist kein Sieg der Sozialdemokratie, sondern letztlich nur eine Korrektur auf dem falsch eingeschlagenen Weg.“ – „Warum sollte man heute SPD wählen? Weil die Partei eine neoliberale Politik verfolgt? Zu allem Übel melden sich auch noch ständig die Väter dieses SPD-Neoliberalismus zu Wort. Wirtschaftslobbyist Gerhard Schröder gibt den Genossen immer noch Ratschläge, wie sie Wahlen gewinnen könnten.“ Und Peer Steinbrück, der in die Finanzwirtschaft gewechselt ist, veröffentlicht ein Werk über „Das Elend der Sozialdemokratie“. So schreibt Christophe Bourdoise, Deutschland-Korrespondent von Le Parisien, in der SZ vom 2.3.18))[htsP anchor_text = “Weiterlesen”]
A propos, – Freude, Freude über Freude – das Thema bietet eine gute Gelegenheit, den dummen August ein wenig durch die Manege zu jagen. Er heißt – ach, nicht der schon wieder! – Hilmar Klute und ist von rechten Ressentiments besessen, darf aber erstaunlicherweise seinen Gedankenwirrwarr nicht etwa nur in Springers „Welt“, „Bild“ oder der „Jungen Freiheit“, sondern in der „Süddeutschen“ veröffentlichen. Klute verweist dort nämlich auch auf Sanders und Corbyn ((Süddeutsche Zeitung 3.3.18)): „Dass demokratische linke Positionen durchaus eine Menge Leute erreichen, konnte man ausgerechnet in den angetickten USA und im ausgezählten Großbritannien sehen. Dort haben Bernie Sanders und Jeremy Corbyn einen schönen Zukunftsaufriss sozialdemokratischer Politik hingelegt.“
Na, gibt es das? Klute, der auf alles Rote wie der Stier in der Corrida reagiert, für den Mélonchon ein „Betonkommunist“ ist und Sarah Wagenknecht eine „spätmoderne (?) Räterepublikanerin“ zeigt Sympathien für Linke?
Nein, keine Angst! Er redet einfach nur wirr. Klute gibt vor, linke Utopien zu vermissen: „Dabei waren die Linken früher mal genauso für Utopien zuständig wie der Metzger für die Sülze.“ Und Klute sülzt weiter: „Schnurrt linkes Denken auf einen Begriff zusammen, auf das linke Milieu, das sich mit designten Vintage Utopien ein reines Gewissen für seinen verfeinerten Lebenswandel zurechtschustert?“ Da wundert man sich: Klute, nein, wirklich Klute? Mit der Rute auf der Suche nach der ,wahren’ Utopie? Aber nicht zu lange wundern! Er ist schnell wieder bei sich selbst. So bemängelt er, dass die Linke einen Systemwechsel anstrebe – und das ist nun aber gar nicht seine Vorstellung von ,wahrer’ Utopie – , wobei er sich endlich wieder eiligst im ideologischen Nebel verirrt und – wie er schreibt – „lustigerweise“ rechts und links als „Pest und Cholera“ zusammenwirft, weil ja auch die AfD einen Systemwechsel, nämlich eine „blutidentische Volksgemeinschaft“, anstrebt und die Linke nach Klutes Meinung eine Art „sozialistische Arbeitergesellschaft“. ((Man nennt diesen rhetorischen Trick „Straw man fallacy“, das Strohmann-Argument. Man unterstellt dem Gegner fälschlich Ziele oder Argumente.)) Resümee: „Von vorgestern sind sie beide.“ Klute ist dagegen nicht von von vorgestern und auch nicht von gestern, sondern ganz auf der Höhe der Zeit, wenn nicht sogar ihr voraus. Jawohl. Und er zitiert als Kronzeugen Wölfchen, den Bauchredner Biermann, der die Linke den „elenden Rest dessen, was längst überwunden ist“, genannt hat. Klute sagt: „Das alles ist blöd genug!“ Aber er lässt es damit nicht genug sein, sondern übertrifft sich selbst, indem er über Lafontaines und Wagenknechts Wunsch einer starken Linken, die auch linke SPDler einschlösse, damit die Linke endlich Änderungen nicht nur fordern, sondern auch verwirklichen kann, schreibt: Wagenknecht träume „von einem neuen Spartakusbund und den aus ihrer Sicht hoffentlich bald zu Reisig zertrümmerten Sozen.“
Das ist messerscharfe kritische Analyse. Vom Feinsten!
Mies findet Klute – wohl weil es keine ,wahre’ Utopie ist? – dass in Frankreich Mélonchon seine Anhänger gegen Sozialabbau demonstrieren lässt. Wer sowas tut, ist notwendig ein „Betonkommunist“. Denn der muss ja gegen alles sein, einfach nur ein Spielverderber, so wie Beppo Grillo von der 5 Sterne Gruppierung: Da könne ,man sehr schön studieren’, was herauskomme, wenn einer „gegen alles sein will“.
Noch eine Kostprobe von Klutes intellektuellem Scharfsinn: „Natürlich sind die Querelen um die Essener Tafel ein Beleg dafür, dass in diesem Lande etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Aber die Antwort darauf kann nicht der Ich-habs immer-schon-gesagt-Zynismus von Sahra Wagenknecht sein.“
Verstanden? Nein? Das kann aber nicht an Klute liegen.
Denn es ist einfach so: Klute ,denkt’ mit dem Bauch wie Wölfchen. Und er schreibt zwar über Politik, aber eigentlich geht es nur darum: Er mag Wagenknecht irgendwie nicht, nicht die Nase, nicht die Augen, nicht die Ohren – gar nicht. Er verehrt dagegen vermutlich goldige Frauen mit großbürgerlichem Charme, wie die ewig lächelnde Weinkönigin Julia Klöckner. Er schmilzt sicher dahin, bis nur ein glänzender Fettfleck bleibt, wenn sich die göttliche Frau von der Leyen bei der schlau guckenden Maybritt Illner wieder mal innerlich sehr berührt äußert und zu diesem Zweck die Stirn in sehr, sehr ernste Falten zieht.
So ist er nun mal, der Hilmar Klute. Er ist kein Intellektueller, aber er glaubt an sich. Und eigentlich müsste man ihn streicheln.[/htsP]