Liebe Oma Meume,
nein, das „liebe“ streiche ich wieder. Also:
Liebe Oma Meume,
dass du dich traummäßig in mein Leben einmischen willst und mich, dem so leicht keiner die Guitarre reichen kann, dass du mich so wütend als Renegatenarsch (weißt du überhaupt, was das ist?) und Sch…wendehals beschimpfst und verfluchst, das kann ich dir nur schwer verzeihen, zumal die Sympathie, die ich der wunderbaren Politikerin Merkel entgegenbringe, ja gerade daher rührt, dass sie („Mutti“) dir („Omi“) so ähnlich sieht. Es ist doch in Wirklichkeit so: Was du da Prinzipientreue nennst, ist einfach nur Sturheit.
Nee, Oma, es gab einmal eine Zeit, da warst du mit Recht stolz auf deinen Enkel. [dropdown_box]Denn ich war ja eine bekannte Persönlichkeit. Tja, aber warum war ich wohl eine bekannte Persönlichkeit? Weil ich sehr, sehr schlau war und etwas Ungewöhnliches getan habe. Künstler müssen nämlich etwas Ungwöhnliches tun, z.B. Vernissagen im Handstand eröffnen, Bilder verkehrt herum aufhängen, ihre Fäkalien blau färben und einen gelben Strohhalm hineinstecken oder so. Ich habe als Kommunist im Kommunismus den Kommunismus angegriffen. Das war sensationell. Da haben alle den Mund aufgerissen und gefragt: Was ist denn das wieder für einer? Und ich habe auch den Mund aufgerissen und habe laut geredet und gesungen. Und so wurde ich prominent.
Dich kannte keiner – mit Schmalzbrot und Mukkefuk kommt man nicht weit, wenn man berühmt werden will.
Und überhaupt, du müsstest es doch selbst wissen: Man muss auf seinen Bauch hören. Auf seinen Bauhauch!!!! Die Nazis waren schlimme Verbrecher, aber in einem – ein Biermann darf das sagen – hatten sie dennoch Recht: Immer alles so verkopft – das ist doch gar nicht schön. Da bin ich mit dem Klaus Rainer Röhl, dem ehemaligen Herausgeber der DDR -finanzierten Zeitschrift „Konkret“, einig: Links ist out, passé und — bringt nichts ein. Man muss wie er einfach den Sprung wagen, im Klassenkampf auf die Seite der Sieger wechseln und in letzter Konsequenz wie er in die FDP eintreten.
Omi, beruhige dich. Hör auf! Schluss! Ich muss dir leider sagen: Deine Schimpfwörter sind zwar von deftiger Volkstümlichkeit, aber von schlechter Artikulation und geringer Poesie.
Nun sag doch mal selbst: Ist es nicht schon schlimm genug, dass sich kaum noch jemand für meine lehrreichen Vorträge in den Talk-Shows interessieren will?
Zugegeben: Mir fehlt die Inspiration. Es ist ein altes Problem: Man kann leichter gegen etwas schreiben als für etwas. Ich reibe mich an nichts mehr, ich werde nur noch fett.
Aber wenn ich dann, wie du es anscheinend willst, auch noch für deine veralteten Werte eintreten wollte, würde mich überhaupt keiner mehr hören wollen. Sag ehrlich: Ist es wirklich das, was du willst? Nein, das kann ich mir von meiner lieben Oma Meume nicht vorstellen.
Hat sie nicht immer ihr Wölfchen ganz, ganz lieb gehabt?
Na, also. Ich bin bekannt im ganzen Land; und ein Schmalzbrot und Mukkefuk löst bei mir keine Sentimentalitäten mehr aus. Ich kann nicht klagen.
Ach, verdammt noch mal, guck mich nicht so an!![/dropdown_box]
Ballade vom Wolf, der zum Schaf wurde
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