Nuhrdoof: Patrick Kühnert will Eisdielen vergesellschaften und hat Hamsterbacken

Es geht unaufhaltsam vorwärts

Der Zug rast auf den Prellbock zu. Anscheinend hat da jemand eine Weiche falsch gestellt.
„Weiter so! Es geht voran! Wir bleiben bei unserer Linie. Unaufhaltsam.“
„Neieiein!!! Halt!!! Es ist eine Sackgasse!“
„Man kann den Fortschritt nicht aufhalten. Was ihr wollt, ist rückwärtsgewandt. Das weiß doch jedes Kind! “

Fortschrittlicher Klimawandel

Vorwärts

Welch eine herrliche Diskussion! Es muss vorangehen – auf vorgegebenen Gleisen! Und wenn dann irgendwann die – sehr fortschrittliche – Klimakatastrophe unabwendbar ist … dann haben wir – auch dank großzügiger Spenden der Konzerne – Wahlen gewonnen und möglicherweise sogar kurzfristig einige Arbeitsplätze erhalten.
Zu kompliziert wäre es, das Hirn zu reaktivieren, wie man es beim Schwein – so erzählt Dieter Nuhr – gemacht habe. Aber dann müsste man vielleicht einhalten, sein Hirn anstrengen und fragen: Wo befinden wir uns? Wohin wollen wir? Wie kommen wir dahin? Müssen wir bremsen? Müssen wir beschleunigen? Müssen wir vorwärts oder rückwärts fahren oder abbiegen? Oder gar die Notbremse ziehen?

Rückschrittliche Kollektivierung

Bei NTV – auch als FDP-TV bekannt – , da versteht es sich, dass man in den Nachrichten auf die Idee eines im Allgemeinen gar nicht so hellen Juso-Vorsitzenden namens Patrick Kühnert, man müsse in Betracht ziehen, Großkonzerne zu kollektivieren, sofort eine der lieblichen FDP-Blondinen – nein, nicht Katja Suding – namens Lindna Teuteberg kommentieren lässt und sie knüppeln darf: Was der Kühnert da sagt, ach, nein, das sei, das sei ja rückwärtsgewandt. Und der äußerst sensible, aber sprachmächtige Lokführer Andreas B. Scheuer gerät angesichts des bedrohlichen Gedankens von Kühnert nicht nur sprachlich in eine Ekstase, wenn er von einem “rückwärtsgewandten (…) Retroweltbild” spricht, und zwar eines “Fantasten”, der zudem auch noch “verirrt” sei. Donnerwetter, Scheuer! Müssen wir um seine psychische Gesundheit fürchten? Wird er sich je wieder beruhigen?

Lass Hirn vom Himmel regnen

Sind es Gründe des Proporzes? Allzuviel Rationalität wie bei der „Anstalt“ vom ZDF braucht ein Gegengewicht in Form von Ressentiment und Versimplung auf Stammtischniveau, meint anscheinend der RBB und sucht daher den von BILD versifften Kleinbürger durch einen rechten Comedian namens Dieter Nuhr zu amüsieren, der sich unglücklicherweise für einen Kabarettisten hält, obwohl er nur mit karnevalsmäßigem Humor alles an Schwachsinn wiederholt, was der regierungskonforme Mainstream von sich gibt? Wahrlich, niemand kann ihm vorwerfen, dass er allzu oft sein Hirn benutzt, und so plappert er nach1, Kühnerts Idee wäre ,pubertär’, ein Rückfall (!) in kindlichen (!) Marxismus von vorgestern (!).

Oh Schreck, sowjetische Eisdielen!

Nuhr – und sein Erotophon

Und da es ja immer einfacher ist, eine Idee zu bekämpfen, wenn man sie entstellt, so fügt er unter dem juchzenden Gelächter seines denkfaulen, aber heftig amüsierfreudigen Publikums erläuternd hinzu, Kühnert wolle die Sowjetwirtschaft wieder einführen und alles kollektivieren, Eisdiele und Riviera. Juchz!! Außerdem tut er kund, dass ihm die „Hamsterbacken“ Kühnerts missfallen. Hihi! Das versteht man bei dem gestriegelten Klassenkämpfer Dieter „Christian“ Nuhr, der sein Mikrofon seltsam liebe- und hingebungsvoll umschmiegt 2 Aber hält er das wirklich und wahrhaftig wie der RBB für “scharfzüngiges Kabarett”? 3
Nuhr, der schon auf unsäglich primitive Weise – genauso wie sein Kollege Mario Barth 4 gegen die Grenzwerte beim Feinstaub polemisiert hatte (nur gefährlich bei 1 m großen Lungenkranken, die auf einer Kreuzung hausen), hat sich anscheinend noch nie Gedanken gemacht – er soll aber, besagt ein Gerücht, tatsächlich ein Hirn besitzen – , natürlich auch nicht darüber, was geschieht, wenn, wie Wissenschaftler voraussagen, die Konzerne durch Maschinen bzw. Computer weithin menschliche Arbeitskraft ersetzen, also Arbeitslose erzeugen, aber die Teile der erwirtschafteten Gewinne, die für den Lebensunterhalt der Arbeitslosen notwendig sind, weiter sich und ihren Aktionären vorbehalten.

Dürfen Doofe keine politischen Witze machen?

Doch, doch, Doofe dürfen das dauernd. Denn niemand kann uns ja zwingen, sie komisch zu finden. Und wenn wir nicht erkennen, dass die Aussage komisch sein soll, darf uns das nicht in tiefe Selbstzweifel stürzen.
Die seltsame Frage stellt man sich allerdings manchmal, wenn man Dieter Nuhr sieht und hört oder Hilmar Klute im „Streiflicht“ der Süddeutschen liest und verärgert rätselt, ob man das komisch finden kann und warum.
Doch, doch, klar, die dürfen das.
Zwischenfrage: Wie man merkt denn, dass Hilmar Klute der Autor eines doch anonymen Streiflichts ist?
Na ja, man merkt es, wenn da jemandem auf der Suche nach originellen Formen der Attacken gegen den ungeliebten Gegner – in Klutes Falle fast immer alles, was links ist – nur sowas einfällt, wie „Ich finde den echt scheiße.“
Hier ein Beispiel für die Suche nach dem, was womöglich witzig gemeint war:
Ausgehend von der kuriosen Meldung, nach der die Koalition einen Rummelplatz für ihre Gespräche als „Location“ gewählt hat, kommt Klute zu folgenden witzig gemeinten Überlegungen darüber, welche „Location“ dementsprechend andere Parteien aussuchen könnten. Zur FDP fällt ihm zum Beispiel ein „Free Fall Tower“.
Welch feiner Witz. Gut, er zielt nicht auf brüllendes Gelächter, sondern auf gemessenes Schmunzeln.
Besonders müssen ihm aber natürlich die gewaltig komischen Spitzen gegen seinen Feind, die Linke, gelingen: „ Die Linke zum Beispiel kann den Palast der Republik nicht mehr nutzen, weil der Klassenfeind in seiner Tücke dieses Meisterwerk sozialistischen Gestaltungswillens beseitigt hat. Für ihre außenpolitischen Beratungen böte sich aber das Phantasialand an, dort besonders die Geister Rikscha und für die AG Russland das Mystery Castle.“
Wir müssen schon ein wenig unseren Geist anstrengen: Was attackiert der Autor mit seinen vermutlich hochwitzigen – er ist nämlich ein Freund des niveauvollen  Sprachwitzes – Aussagen? Nach Einsatz eines Teelöffels Gehirnschmalz gelangen wir blitzartig zur verblüffenden und eben dadurch möglicherweise ungemeine  – der Autor ist nämlich kein Freund des niveaulosen gemeinen Witzes – Heiterkeit auslösenden Erkenntnis: Er glaubt, die Linke sehne sich zurück nach dem Stalinismus („Meisterwerk sozialistischen Gestaltungswillens“), ihre Außenpolitik sei unrealistisch („Phantasialand“) und ihr Verhältnis zu Russland rätselhaft („Mystery Castle“).
Ja, Teufel auch, ist das vielleicht lustig?!!
Doch, die dürfen das.

Unglaublich

„Dieter Nuhr, scharfzüngig und anspruchsvoll, bissig und hintergründig, unterhaltsam und witzig.“[ref]So steht es in der Funkzeitung „Gong“, die einst vom jetzigen Focus-Herausgeber und Hoeness-Fan und FDP-Parlamentarier in Bayern Helmut Markwort geleitet wurde.[/ref]
Wie bitte?