Frank Castorf bekennt ((Süddeutsche Zeitung 28.9.17)): Er wurde ,von den schicken Klamotten sozialisiert’, weil seine Mutter Modedesignerin war. Das erklärt in der Tat einiges. Wie schön, es aus seinem eigenen Munde zu hören! Wenn er von der „Erotik des Verrats“ spricht und das sehr wohl positiv meint, dann weiß man: Der Meister sitzt wieder einmal, eine männliche Pythia, auf seinem Dreifuß, berauscht von benebelnden Dämpfen, die aus irgendwelchen Abwasserrohren hervordringen, und äußert hingebungsvoll Dunkles, als wäre er Klaus von Dohnanyi. So rettet er nebenbei die Ehre der Parkas: „Die Parkas waren im Vietnam-Krieg, sie waren aber auch praktisch und gut. Und sie haben etwas etwas von einer Militanz, die man haben muss, gerade wenn man Kunst macht.“ Oder ist er ein blinder Seher, ein neuer Teiresias? Hach, wie die Gedanken strömen: „Ich halte übrigens auch die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht für einen Fehler.“ Allerdings, tat den Jungs doch mal ganz gut: stramm stehen, exerzieren, Schrank und Bett in Ordnung halten, körperliche Ertüchtigung, romantische Lieder singen, schöne Erinnerungen usw. Und nicht zu vergessen: „Man lernt andere Menschen und Lebensmodelle kennen. … Man muss sich miteinander beschäftigen.“ Teiresias!
Schlagwort-Archive: Castorf
Nieder mit der Vernunft!
Wenn sich die Modewellen zum Tsunami auftürmen, gibt es kaum mehr ein Entrinnen, zumal der Mensch dazu neigt, den Verzicht auf den anstrengenden Gebrauch der Vernunft als Erlösung zu empfinden. Wie ist es sonst zu erklären, wenn „ viel Wildes und Wirres geraunt“ (Ulrich Seidler “Berliner Tageszeitung”), wenn etwas „bedeutungsschwanger und Weniges bedeutend“ durch den Raum wabert (Wolfgang Behrens “Nachtkritik”), wenn man „Nebel“ sieht, „der sich Mühe gibt, mysteriös zu wabern und auf alle Fälle bestialisch stinkt“ (Jan Küveler „Welt”) – aber die Kritiker trotzdem die Theateraufführung von Hebbels „Judith“ in der Berliner Volksbühne loben? Viele Zuschauer tun so, „als durchblickten sie des Meisters tiefste Absicht“ (Ulrich Seidler). Das konnten sie schließlich zumindest an einer Stelle, als ein lebendes Kamel die Bühne betrat: „Der Assoziationsraum ist schon klar: Wüste, Syrien, Orient.“ (Peter Laudenbach) Klare Sache! Auch wenn der wunderbar banale Scherz des “Regie-Wüstlings” folgt, dass jemand fragt: ,Hasse ma ne Camel?, es war eben – ganz klar – der „Altmeister“ am Werk.
„Altmeister“ Frank Castorf hat auch Peter Laudenbach („Süddeutsche“ 22.1.16) so beeindruckt, dass er erschrickt. Denn der “Altmeister” ist ein „erschreckend belesener Regie-Wüstling“. Nicht erschreckt ihn dessen „anti-aufklärerisches Gift“, die Ablehnung der „vernünftigen, rational kalkulierenden Unsitte der westliche Aufklärung“. Heil dir, du Altmeister![dropdown_box] Überhaupt sehen sich Herr Laudenbach und seine Kollegen gerne Inszenierungen von Altmeister Castorf an aufgrund einer „Neigung zum sadomasochistischen Theatergenuss“. 4 ½ Stunden dürfen sie ihm frönen. „Exkremente ,mischen sich mit Blut’“. Das ist altes Theaterbrauchtum – davon kann man nie genug bekommen. Aber ganz klar, auch der Tiefsinn ist vorhanden: „Nur nebenbei wird darüber philosophiert, ob Metaphysik vielleicht doch wichtiger sei als die Kenntnis der vielen möglichen Kopulationsstellungen.“ Na, das nennt man mal ,spannendes’ Philosophieren: Das Ergebnis dieses Philosophieren bleibt offen; wenigstens ist der Rezension nichts darüber zu entnehmen. Schade, wenn wir schon nicht dabei sein konnten. Peter Laudenbach jedenfalls ist offenbar ein sehr aufgeschlossener junger Mann sein; das kann man seinem Urteil über des “Altmeisters” neuestes Werk entnehmen: „Welch ein abgefuckter, düsterer, großartiger Abend!“
Übrigens die “Wüstlinge” Frau Petry und Frau Storch von der AfD fänden es nicht schlecht, wenn auf Migranten, Männer, Frauen, Kinder, geschossen würde. Hauptsache, sie belästigen uns nicht, indem sie zu uns kommen. Welch “wildes Denken”, welch düstere, abgefuckte Idee! Großartig!
P.S. Wir hatten uns eigentlich vorgenommen, den Leuten ihre Neigung zu sadomasochistischem Theatergenuss zu lassen, das Feuilleton zu ignorieren und zukünftig keine Silbe mehr darüber zu verlieren. Aber der Hang zum Antiaufklärerischen fordert nun einmal unwiderstehlich unseren – in diesem Fall offenbar wirklich sadomasochistischen – Trieb zur Kritik heraus.[/dropdown_box]