Der Begriff Rechtsstaat hat eine neue Bedeutung, seit Attac nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs auf Antrag des Bundesfinanzministeriums nicht mehr gemeinnützig ist. Attac sei, so begründete es der Unterabteilungsleiter in Schäubles Finanzministerium Rolf Möhlenbrock, zu politisch engagiert, seine Positionen seien „näher der Parteipolitik der Opposition als der Regierungsparteien“. Und so begründet auch der Präsident des Bundesfinanzhof Mellinghoff das Urteil gegen Attac.
Beide gehören – wir wissen es nicht erst seit der “Anstalt” im ZDF – dem Vorstand des Instituts Finanzen und Steuern an, das sich im Gegensatz zu Attac für die Senkung der Unternehmenssteuern einsetzt und sich offen zum Ziel setzt, die politischen Mehrheitsverhältnisse zu einer Gesetzgebung in diesem Sinne zu bewegen. Natürlich überwiegen in seinen Veröffentlichungen wirtschaftsliberale Positionen wie von FDP und Wirtschaftsflügel der CDU/CSU. Natürlich ist das Institut gemeinnützig. Es ist natürlich rechts, nicht links, und wir leben nun mal in einem Rechtsstaat.
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Hier stinkt’s
Nachdem der Bundesfinanzhof – die Behauptung, dass Donald Trump dessen Zusammensetzung bestimmt hat, ist nachweislich falsch und einfach nur lächerlich – Attac die Gemeinnützigkeit abgesprochen hat, wurde es im Bundestag schrecklich … nass: In einer Sturzflut von Tränen – der Rührung – fielen sich die Abgeordneten von CDU und FDP in die Arme. Ihnen hat Attac gestunken, besonders dem Finanzminister Schäuble. Deshalb musste er etwas unternehmen. Und so hat er sich beschwert – ganz oben. und – heureka! – er hat es geschafft! Die unternehmerische Freiheit – auch von Steuern – ist gerettet. Es war an sich nicht ganz einfach, denn, wie Wolfgang Janisch und Stephan Radomsky in der Süddeutschen Zeitung vom 27.2.19 schreiben, man wird Attac “nicht absprechen können”, dass sein Ziel ist, “einen möglichst großen Nutzen für die Allgemeinheit zu stiften”. Wird man nicht können? Doch kann man. Man muss nur wollen. Aber zum Glück ist das Urteil, wie der Vorsitzende Richter des V. Senats Bernd Heuermann betonte, “politisch neutral”. Uns fällt ein Stein vom Herzen!!
Ein Witz
Kennen Sie den Witz von Klein Erna?
Die Lehrerin beschwert sich bei Klein Ernas Mutter über Ernas ungeniertes Pupsen. Darauf die Mutter: „Sie sollen ihr nicht riechen, Sie sollen ihr lernen.“
Der Witz passt so ja aber gar nicht hierher, denn Attac hat ja gebildet, aber nicht das, was Lindner und Schäufle für richtig halten. Der Witz muss also eine Fortsetzung erhalten:[htsP anchor_text = “Weiterlesen”]
Als die Lehrerin auf einem anständigen Benehmen besteht, empört sich Klein Ernas Mutter: “Mir passt überhaupt die ganze Richtung nicht: Sie lernen ihr Rechnen. Wo kommen wir denn da hin?! Dann sollen Sie ihr lieber riechen.“
Umwelthilfe stinkt wie Diesel
Für die Schäubles und Lindners war es wie Weihnachten. ((Heribert Prantl von der “Süddeutschen Zeitung” (2.3.19) urteilt über die Entscheidung: Man wisse nicht, “ob man darüber lachen oder weinen soll”, und nennt deren Begründung “höchst sonderbar”, weil die Ziele von Attac demnach “angeblich weniger relevant für Gemeinnutz und Gemeinwohl als das Werkeln in einem Verein für Modellflug, Amateurfunk, Kleingärtnerei oder Hundesport” wäre – oder der CDU-Wirtschaftsrat. “Das alles ist in Paragraf 52 der Abgabenordnung als gemeinnützig und förderungswürdig aufgelistet, die Bundesfinanzrichter halten sich streng an diese Auflistung; das ist eine ,Idiotie’.” Prantl ebd.)) Nun soll das nächste Projekt starten: Laut Beschluss C113 des letzten Parteitags fordert die CDU, auch die „Deutsche Umwelthilfe“ auf ihre Gemeinnützigkeit hin zu prüfen. Denn wenn schon Attac in übler Weise das Großkapital zum Steuerzahlen zwingen will, so widersetzt sich die Umwelthilfe dem Druck der Autoindustrie. ((Der nordwürttembergische Verband Stuttgart der CDU, in dem Matthias Wissmann Ehrenvorsitzender ist, hatte den Antrag auf dem Parteitag eingebracht.)) Pfui!!
Gemeinnützig ist dagegen auf jeden Fall die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik. Sie stinkt überhaupt nicht; sie bildet die Staatsbürger, die den Wert von tödlichen Waffen und deren Verkauf nicht erkennen wollen. Das ist eine äußerst verdienstvolle Aufgabe,
Neue Soziale Marktwirtschaft von spezieller Gemeinheit
Und auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist ein extrem gemeinnütziger Partikularallgemeininteressenverband. Denn sie stellt laut eigener Aussage „eine starke ,Lobby’ für marktwirtschaftliche Alternativen“ dar. Sie möchte nämlich „die gesellschaftliche Akzeptanz unternehmerischer Freiheit“ fördern, unter deren Nicht-Akzeptanz der Unternehmer – auch seelisch – sehr, sehr leidet. „Lobbyisten im Sinne einer einseitigen branchen- oder themenspezifischen Interessenvertretung sind wir aber nicht“, erfahren wir auf ihrer Internet-Seite (https://www.insm.de/). Es geht nicht nur um die Metall- und Elektroindustrie. Man ist da sehr breit aufgestellt. ((“Fehlende geistige Offenheit hat der Finanzhof Attac vorgeworfen (…) Den Vorwurf kann man jeder Ansicht machen, die einem nicht passt. Fehlt die geistige Offenheit, wenn man den ,ausbeuterischen und spekulativen Absichten’ auf den Finanzmarktplätzen per Transaktionssteuer den Riegel vorschieben will? Das Zitat stammt nicht von Attac, sondern von Papst Franziskus.” Prantl ebd.)) Das können auch ihre „Botschafter“ Arend Oetker, Vizepräsident des BDI, oder Rainer Dulger, Präsident von Gesamtmetall, nur bestätigen. Es ist richtig: „Sie wird von den Verbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert.“ Allerdings, so behauptet sie verschämt, dient sie „keineswegs nur Unternehmen“, auch wenn sie im Sinne der Unternehmer für „flexible Arbeitsmärkte“ eintritt und das Soziale manchmal sehr kritisch sieht, so dass sie „die von der SPD vorgeschlagene Sozialstaatsreform anlässlich der Jahresauftaktklausur der Partei mit einer Protestaktion begleitet“ hat.
Aber sie stinkt nicht, denn sie will ja – anders als Attac – nur Gutes. Es wäre natürlich traurig, wenn die Spender aus der Industrie ihre – anders als bei Attac – doch sehr beträchtlichen Beträge (Etat der INSM jährlich etwa 7 Millionen Euro) nicht mehr steuerlich absetzen könnten. Das würde vor allem den Kuratoriumsvorsitzenden Wolfgang Clement, von der SPD zur FDP gewechselt, sehr traurig machen und viele seiner „Botschafter“, wie Unternehmensberater Roland Berger oder Arnulf Baring, den Propaganda-Spezialisten in den Talkshows, oder den edlen von Dohnanyi Klaus. ((Ja, der Dohnanyi ist gemeint, der vor intellektueller Gespreiztheit ähnlich wie einst der selige Karl Lagerfeld kaum mehr halbwegs normal reden kann.))
Nein, lieber Wolfgang Clement, ihr braucht euch nicht zu grämen: Ihr werdet auch in Zukunft noch genug Geld zur Verfügung haben. Quidem parva Erna olet, sed pecunia non olet – Klein Erna stinkt zwar, aber Geld stinkt nicht. Darauf könnt ihr ruhig alle „einen lassen“. Eurer Gemeinnützigkeit wird’s gewiss nicht schaden.[/htsP]
Auf zum letzten Gefecht
Ja, auf zum letzten Gefecht. Die Schlacht ist praktisch schon gewonnen – nur Siege auf allen Schlachtfeldern, falls man überhaupt von „Schlacht“ reden kann, wenn der Feind mit Katapulten, mit Pfeil und Bogen gegen unsere Panzer und Granaten kämpfen will.
Es ist wunderschön, war aber eigentlich gar nicht mehr nötig, Attac die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Dass wir nun auch diese hässliche Kellerassel zertreten haben, stimmt uns schon ein wenig froh; aber was war schon deren Spendenaufkommen gegen das, was wir laut Olaf Henkel allein der AfD zukommen lassen. [ref] „Mehrere Dax-Vorstände und zahlreiche Chefs von Familienunternehmen unterstützen (finanziell) die AfD“, neuerdings offen auch der ehemalige Vorsitzende des BDI, H. Weiss.[/ref] Aber der letzte, der entscheidende Coup ist natürlich TTIP, unser TTIP!
„Es ist auch die Chance, zu beweisen, dass die transatlantische Partnerschaft tatsächlich auf der Gemeinsamkeit von Werten beruht, die nicht nur auf den militärischen Schlachtfeldern dieser Tage, sondern auch im Alltag des Arbeitens, Produzierens und Handelns besteht,“ kommentiert Stephan Detjen vom Deutschlandfunk. Besser kann man es nicht sagen: Es geht um unsere Werte, Börsenwerte, unsere abendländischen kapitalen Werte.[dropdown_box]
Die uneinsichtigen, nicht einmal an irgendeiner Börse notierten Typen von Attac haben, weil sie selbst des Teufels sind, eine „Dämonisierung der Freihandelsidee“ betrieben, so der kluge Kommentator vom Deutschlandfunk – aber, wie voraussehbar, hatten sie natürlich keinen Erfolg!
Manchmal wundert man sich schon sehr: Wenn da z.B. ausgerechnet 21 Senatoren der Vereinigten Staaten in einem Protestbrief gegen den Druck ihres Verhandlungsführers Michael Fromann wenden, weil er die Gewinnwünsche der Ölindustrie um jeden Preis – auch gegen das Klimaschutzprogramm Obamas – durchsetzen will. Solche öffentliche Kritik sollte unterbunden werden, auch wenn wahrscheinlich sowieso keines unserer (!) Medien groß darüber berichten wird. Viel schöner hört es sich an, wenn sich unser Herr Detjen gegen die „ins hysterische gehende Kritik“ der „Freihandelsapokalyptiker“ wendet und sich belustigt: „Die Abschaffung deutscher Volksmusik wäre wahrscheinlich noch das geringste Übel“ für diese Schwachköpfe. Haha! Oder auch die Unterstellung, die Idioten fürchteten „die Schließung aller Staatsopern und Stadttheater sowie eine Übernahme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Hollywood“. Hoho! Huuuh! Wunderbar! Was dieser witzige Kopf auch noch hätte sagen sollen: Es gehe ja bei TTIP nur um die Vereinheitlichung der Türgriffe bei Pkws u.ä.m.
Tatsächlich können wir aber jetzt – ihr wisst es ja schon, doch es ist zu schön – die Demokratie ausschalten, wenn sie unseren Gewinninteressen im Wege steht. Endlich hat damit die Epoche des Absolutismus begonnen. Die – zugegeben auch bisher schon sehr geringe – Gefahr, dass sich eine demokratisch gewählte Regierung, also das ,was man für die Interessen des Volkes halten könnte, unseren Gewinninteressen entgegenstellen könnte, ist damit gebannt: Denn wir verklagen dann einfach die Staaten – am liebsten vor privaten, nicht öffentlichen Schiedsgerichten, denn sonst könnten ja die Interessen der betroffenen Staaten eine Rolle spielen.
Es ist eine wahre Freude; schon die bloße Aufzählung erzeugt Ekstase: Veolia klagt vor dem ICSID (International Center for for Settlement of Investment Disputes) gegen die Erhöhung des ägyptischen Mindestlohns von 41 auf 72 € monatlich. Der Konzern Cargill verklagte Mexico, weil der Staat eine neue Steuer auf bestimmte Erfrischungsgetränke eingeführt hatte, und erhielt 66 Millionen €. Der Energiekonzern Tampa Electric erhielt von Guatemala nach einer Klage 25 Millionen $, weil der Staat eine Deckelung der Stromtarife eingeführt hatte. Der Konzern Saur verklagt Argentinien wegen des Einfrierens der Wasserpreise, weil dies den Wert seiner Investitionen mindert. US Konzerne verklagen Kanada, weil es Fracking aus Umweltschutzgründen einschränkte. Philipp Morris klagt gegen Uruguay, weil das Land strengere Raucherschutzbestimmungen erlassen hat, fordert 2 Milliarden $ Schadensersatz. Vattenfall klagt vor dem ICSID und will 4 Milliarden € Schadensersatz wegen des Atomausstiegs Deutschlands, und es verklagte Hamburg auf 1,4 Milliarden Schadensersatz wegen neuer Umweltauflagen, die das Kohlekraftwerk Moorburg angeblich „unwirtschaftlich“ machten, was zu einer Aufweichung der Auflagen führte. (Momentan 185 Verfahren.)
Zum Mitsingen: Money, money, money …
An dieser Stelle zu sagen, dass wir keinen Grund zu klagen haben, wäre missverständlich. Aber wir können sagen, dass wir stolz sind, denn wir haben uns durchgesetzt, und zwar ohne wirklich auf Widerstand zu stoßen. Über ACTA, das 2012 von der EU noch abgelehnt wurde, schrieb James Eynor, Chef von Monsanto: „Die Industrie entwarf einen Vorschlag und ließ ihn von den eigenen und vielen anderen Regierungen absegnen.“ Leute, so geht’s!
Auch was die Propaganda anbetrifft, gibt es nur Anlass zum Jubeln: Ach, die scheinbaren Vorteile, nämlich angeblich Millionen neuer Arbeitsplätze, 28% Steigerung der europäischen Exporte, 545 € durchschnittliche Mehreinnahmen für jeden Haushalt wurden in Aussicht gestellt von einem Expertengremium, dem CEPR (Center for Economic Policy Research), einem von Deutscher Bank, PNB Paribas, Citigroup, Barclays, JP Morgan u.a.m finanzierten Thinktank.
Nachprüfen sollte diese Vision natürlich möglichst keiner. So war der zuständige EU-Kommissar de Gucht äußerst verwirrt, als man ihm in einer Monitorsendung dazu vorhielt, dass die Zahlen aus der Luft gegriffen waren. Er gab da leider ein etwas komisches Bild ab. Aber das ist schnell wieder vergessen. Zumal da immer wieder andere einspringen: Alexander Hagelküken z.B. – er heißt wirklich so – schreibt in seinem Samstagsessay unter der Rubrik „Recherche“ (!) in der „Süddeutschen“: „Keiner zweifelte daran“, dass TTIP das Bruttoinlandsprodukt um 120 Milliarden € steigern würde – pro Jahr.“ Überhaupt meint er: „die Geschichte zeigt ja, dass Phasen der Globalisierung Prosperität schaffen.“
Jaha, Wohlstand! Gut! Für uns! Globalsierung und Deregulierung! Die EU kämpft auch darum, die strengere Regulierung der Banken in den USA aufzuweichen. So schreibt der britische Bankenverband TheCityUK etwas unvorsichtig: “Der EU Kommissionsvorschlag sei so nah an ihren eigenen Vorschlägen, als käme er direkt aus unserer TTIP-Broschüre.” “Too big to fail!” In Großbritannien brachten es die Aktiva der vier größten Banken 2011 immerhin auf 394% des Bruttoinlandprodukts, aber auch in Frankreich und Deutschland stehen sie ähnlich gut da, so dass auch bei der nächsten Bankenkrise die Steuerzahler ran müssen.
Jetzt galt es nur noch, die Kritiker zu verunglimpfen, damit man sich mit ihren Argumenten nicht auseinanderzusetzen braucht. Auch das gelingt wunderbar:
Nur noch ein von linkem Antiamerikanismus oder Nationalpopulismus verbiesterter Geist, so Sigmar Gabriel, und “bedenkenversessene” Kritiker, so Steinbrück, stellen sich der Verkörperung des Guten, dem internationalen Kapital, entgegen. Zusätzlich hat Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, Grosse-Brömer, die SPD aufgefordert, ihre Kritik am Abkommen, falls sie eine solche äußern sollte, aufzugeben oder zumindest für sich zu behalten.
Genial ist natürlich auch, dass wir alles so schön geheim halten und erst, wenn alles klar ist, die Ergebnisse veröffentlichen. So kann uns gar nichts mehr passieren.
Leute, wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken! Darum lasst uns laut und ohne falsche Scham ausbrechen in den Jubelruf: Es lebe die Internationale! Es lebe das Kapital. Oh, TTIP, großes TTIP, wunderbares TTIP! TTIP über alles.[/dropdown_box]