Potzblitz

Es sind gruselige Zeiten. In den USA, so erfährt man von den Amerikanern, die ja unser großes Vorbild sind, weil sie die klügsten und reichsten Köpfe haben, sind jetzt die Kommunisten an der Macht. Zwar schwört der neue Präsident nicht auf Hammer und Sichel oder etwa die Mao-Bibel, sondern auf eine 17 cm (!) dicke katholische Bibel, die angeblich seit 1893 im Familienbesitz ist und deshalb selbstverständlich vorher gründlich entstaubt worden war. So eine Bibel als Unterlage heißt aber gar nichts, denn es gíbt unter den Katholiken auch manch einen Schweinepriester. Selbst Päpsten war nichts heilig, und sie haben gehurt und gemordet. Zudem gehört ja die Kunst der Verstellung zu den wichtigsten Fähigkeiten eines machtbewussten Politikers. Es ist ja auch kaum vorstellbar, dass die angeblichen Evangelikalen und Kreationisten unter den republikanischen Politikern nicht in Wirklichkeit Atheisten sind. Und – Achtung! – der Amerikaner weiß, dass Atheisten und Kommunisten dasselbe sind. Ihr einziger Lebenszweck besteht darin, harmlosen Bürgern den Hals durchzusicheln, den Schädel einzuhämmern oder sie über unheimlich hohe Steuern zu enteignen und in den Hungertod zu treiben. Welch ein Horror!
Es sieht überall schlimm aus. Satiriker, wenn es denn noch welche gäbe  – sie sterben aus oder tun nur so – wie Dieter Nuhr – , als wenn sie welche wären, wissen nicht mehr ein noch aus: Wie sollen sie es schaffen, dem entsetzten Publikum trotz allem die Mundwinkel ein klein wenig in die Höhe zu ziehen? „Hilfe!“ ruft der verzweifelte Satiriker, „Hilfe!“ Und dann, weil keine Hilfe kommt, greift er zu alternativen Fakten, die, wie der Amerikaner weiß, die wahren Fakten bzw. die reale Realität hinter der Realität sind.

Armin Konfusius Pipapo 1 krabbelte auf dem Boden umher. Aber unter dem Schreibtisch lag scheinbar nur der Armin, nicht der gesuchte Brief von dieser ungeheuer engagierten, ja radikalen Annalisa Baerbauch oder Baerlauch oder wie sie hieß, der Brief, in dem sie sich so vehement gegen den üblen Dativ engagierte und versuchte ihn, den Armin, für einen Bund von Schummel, nein Schimmel, nein Schwarzgrün zu gewinnen, weil der Dativ doch, wie ihr einmal jemand erzählt hatte, heimtückisch den Genitiv verdrängte, was sie ja aber  – allein schon wegen des Artenschutzes  – nicht dulden konnte, und sie diesen fiesen Dativ deshalb mit all ihrer Energie bekämpfen musste, indem sie sogar „trotzdem“ durch „trotzdessen“ ersetzte und ihr da natürlich der Armin, also mit FDP, SPD, AfD die politische Mitte, sofort als Mitstreiter in den Sinn gekommen war.
Und dann – fiel dem Armin wieder ein – war da ja doch auch noch irgendeine Einladung  zu diesem Strunz, Schwanz oder Linz in eine Talkshow gewesen. Wo war denn die nun wieder? Daran hätte er als neuer Parteivorsitzender ja zu gerne teilgenommen, weil dieser Franz oder Gans immer so einfühlsam war. Vielleicht sollte er seine Sekretärin – wie hieß sie noch? – bitten, ob sie ihm bei seiner Suche helfen könnte.
Aber als die Sekretärin, die natürlich auf seinen Ruf hin sofort mit fliegenden Röcken herbeigeeilt war, sich neben ihrem Chef auf dem Boden niedergelassen hatte, um ihm bei der Suche zu helfen, und sie schnell triumphierend die gesuchte Einladung von diesem Lanz (aha!) in die Luft streckte und damit neckisch herumwedelte, war der Armin sofort aufgesprungen, um den Brief zu erhaschen.

Als der Armin dann mit dem Brief in der Hand jubelnd und wie von Sinnen in die Garderobe gerannt war, um seinen Hut aufzusetzen und hinauszustürmen – ja, was wollte er da draußen eigentlich? – , da donnerte es plötzlich ohrenbetäubend, der Raum bebte, Armin taumelte.

(Angesichts der Ungeuerlichkeit des Geschehens muss an dieser Stelle der Abstand zwischen diesen beiden Absätzen etwas größer ausfallen.)

Ein Blitz war in das Büro gefahren und hatte die Sekretärin in einen Haufen rauchender Asche verwandelt. (Genauso ist es wirklich abgelaufen, wie Sie im Internet unter „Elisabeth-Magdalena Freifrau von Pfetten-Steert“ – so der Name der Sekretärin – nachlesen können.) Und ehe der Armin noch ein entsetztes „Au weia! Das kann doch nicht wahr sein!“ ausrufen konnte, stand da mit flammendem Schwert eine hünenhafte Gestalt, die aussah wie Zorro, was auch an der schwarz-blau karierten Maske gelegen haben mag, die Mund und Nase verdeckte, aber vor allem an den dräuenden Blicken. „Du dicker trotteliger Kümmerling“, ertönte es aus dem Munde dieser wirklich schauerlichen Gestalt, „blick doch einmal in den Spiegel – allein dieser Hut! Bildest du dir wirklich ein, dass du das Zeug zum Kanzler hättest?“ Nachdem er ein paar Minuten wie erstarrt gestanden und über die Frage nachgedacht hatte, fasste Armin seinen ganzen Mut zusammen und erwiderte mit seinem leicht törichten Grinsen: „Ja, zum Teufel, sag, wer bist denn du? Zisch ab! Wie bist du überhaupt hier hereingekommen? Du hast weder geklingelt noch geklopft. Hast du wenigstens die Tür hinter dir wieder geschlossen?  Und mach gefälligst das Feuer an deinem Schwert aus. Es reicht schon, was du mit meiner Sekretärin gemacht hast. Wie das hier riecht! Und mein schöner Teppich! Nun muss aber mal Schluss sein!“ – „Ho, ho“, lachte da der Eindringling mit grauenvoller Stimme. „Ich bin Markus Zorro, der einsame Ritter von der zwar mächtigen, aber im Grunde ein wenig traurigen Gestalt, denn ich habe ein flammendes Schwert und muss alle vernichten, die sich mir in den Weg stellen. Ich habe ein Herz aus Trockeneis, und doch in seltenen Augenblicken überkommt mich für wenige Sekunden ein Gefühl, dass ich ganz, ganz allein bin auf dieser Welt. Aaach! Aber zack, schon ist es wieder verschwunden. Dich jedenfalls werde ich mit Zwiebeln und Kraut auf einer Semmel verspeisen.“ – “Das ist ja unerhört”, war das Letzte, was man von Armin hörte; dann ertönte nur noch ein grässliches Schmatzen, schließlich ein langgezogener Rülpser; dann war es unheimlich still …….
Seitdem hat niemand mehr von diesem Armin Konfusius etwas gehört. Und die CDU hatte schnell einen imponierenden Kanzlerkandidaten.

Wie? Waldi?

Nein, nein und nochmals nein, Armin Laschet ist nicht der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Das sei völlig aus der Luft gegriffen, hat seine Ehefrau Susanne eidesstattlich und empört versichert. Man wolle ihm einen Strick daraus drehen, dass ihm vor ein paar Jahren in seinem Ehrenamt als Lehrbeauftragter der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) sämtliche Klausuren eines Seminars verloren gegangen waren und er anschließend aus dem Gedächtnis Noten, natürlich ausschließlich gute, verteilen musste und dabei zu deren Freude auch Studierende berücksichtigte, die an der Klausur gar nicht teilgenommen hatten.
Das erkläre sich aber selbstverständlich keineswegs aus einer ihn periodisch immer wieder innerlich zerrüttenden Vergesslichkeit – er hat die Klausuren bis heute nicht wieder gefunden – , sondern liege zum Glück ausschließlich und allein an der Deutschen Post, der er die Klausuren ausreichend frankiert mit klar und deutlich geschriebener Adressanzeige übergeben habe und die die Klausuren unermüdlich, aber bis heute leider vergeblich suche.

Dass er dann beim Aufräumen sofort seine Aufzeichnungen zu den verloren gegangenen Klausuren vernichtet habe, sei ausschließlich auf seine geradezu pedantische Ordnungsliebe zurückzuführen; die Aufzeichnungen hätten – nur abgrundtief böse Menschen könnten das Gegenteil behaupten – wirklich existiert. Außerdem habe er ja auch sein Ehrenamt niedergelegt, weil er nun mal wirklich viel zu tun habe und manchmal nicht wisse, wo ihm sein Kopf und der seiner Frau stehe.1
Laschet bestreitet auch entschieden Geistesabwesenheit als Ursache dafür, dass er trotz aufgeregtem Hundegekläff minutenlang nicht zur Tür kam, als vor kurzem beim gut verdrahteten Hausherrn sein Parteifreund, der Wirtschaftsminister Peter Altmeier, an der Tür läutete, den Laschet um 16.00h – „ich hasse Unpünktlichkeit“ – zu einer Tasse Kaffee und einem Scheibchen Sandtorte, von Ehefrau Susanne selbst gebacken, geladen hatte.
Dass er dem Herrn Altmeier zwar zur herzlichen Begrüßung beide Hände entgegenstreckte und dabei sein bekannt unwiderstehliches Lächeln aufsetzte, ihn aber zunächst nicht anredete, ihn schließlich aber Neumeier und vor allem Dickerchen nannte, hatte den Ankömmling, wie er Vertrauten gestand, bereits ein wenig gekränkt. Doch dann erkundigte sich Laschet beim ledigen Altmeier nach dem “Wohlbefinden der verehrten Frau Gemahlin”. Das verwunderte den gutmütig geduldigen Gast zwar schon ein wenig mehr, ohne ihn jedoch wirklich zu erzürnen.
Als Laschet aber kurz darauf seine eigene Ehefrau als Waldi vorstellte und ihr „Platz!“ befahl, zeigte sich Altmeier dann doch allmählich irritiert, zumal Laschets Frau ja bekanntlich nicht Waltraut, sondern Susanne heißt – wen sollte also das “Waldi” meinen?  Doch vor allem das der Ehefrau entgegengeschleuderte “Platz!”, dieser allzu barsche Befehlston, der ja heutzutage  – man denke an “MeToo” – leicht als männlicher Chauvinismus ausgelegt werden kann, ließ Altmeier sich insgeheim fragen, ob so jemand als Bundeskanzler taugt.