Früher zeigte der Bürger sein Kunstverständnis durch das im Schlafzimmer über dem Ehebett oder der Wohnzimmercouch hängende Gemälde des röhrenden Hirsches oder der Zigeunerin mit sinnlichem Blick über die entblößte Schulter. Der Wirt der griechischen Taverne verweist heute auf die antike Bildhauerkunst durch die nackte Venus und den nackten Adonis vor den plätschernden Minibrunnen neben der Theke: Sublimierung der Sexualität unter dem Deckmantel der Kunst und zugleich Ausweis prestigeträchtigen Kunstverständnisses. Wunderschön auch das folgende Beispiel bürgerlicher Kunst – aus Frankreich: die sportliche Boulespielerin. Angesichts eines veränderten Verhältnisses zur Sexualität ist dergleichen Sublimierung kaum mehr nötig. Und wer heute wer sein will, zeigt seine Brieftasche und stellt seinen SUV oder Porsche vor die Garage. Wenn aber dem – im Fischhandel? – reich gewordenen Handelsmann oder seiner Frau, der Ilsebill, das nicht genügt, setzt er sich antike Säulen vor das Portal des Einfamilienhauses.
Da verwandelt sich dann das Haus in einen kleinen römischen Palast.
Unabdingbar: Zuerst die Säulen, dann das Haus, selbst wenn die Infrastruktur noch etwas dürftig sein sollte.Ganz falsch ist es, nicht mit den Säulen, sondern mit dem Interieur zu beginnen.
Wenn aber selbst die Säulen nicht genügen … Man kennt sie, die Ilsebill, die nie zufrieden ist – auch ihre Freundinnen haben solche Säulen, manche sogar mehr als sie. Und deshalb fordert sie von ihrem Fischhändler-Gatten: »Hör, Mann, das Häuschen ist auch gar zu eng, und der Hof und der Garten sind so klein. Ich möchte wohl in einem großen steinernen Schloss wohnen. Geh hin zum Butt[ref]So heißt anscheinend der Architekt oder sein Korpsbruder aus der Baubranche.[/ref], er soll uns ein Schloss schenken.« Und das Ergebnis lässt sich dann so sehen: