Lechts odel rinks?

Wofür Seehofer, Söder, Maaßen und Meuthen stehen, wissen wir, obwohl wir es lieber nicht wüssten. Aber wer weiß, wo oder wofür die SPD steht?
Das wollen wir, verdammt noch mal, endlich mal wissen. Es wird ja Zeit. Aber …
Eijeijei! Großes Problem, ganz ganz schwierig!
Ist sie konservativ? Ist sie rechts oder – gar links?
Fragen wir einen von der FDP, der in der SPD ist, z.B. den Rüstungslobbyisten Johannes Kahrs?!
Nein, um Himmels willen!
Besser wir fragen eine Ikone, einen, der erstens verehrt wird in der SPD als Weiser (“elder statesman”), der zweitens im Gegensatz zu Gerhard Schröder sogar schon tot ist und der drittens mit einer echten Loki verheiratet war. Fragen wir Helmut Schmidt. Wem seine Aussagen von 1963 etwas bemoost erscheinen mögen, der sei darauf verwiesen, dass das Godesberger Programm noch älter ist, ohne dass man sagen dürfte, dass dessen Aussagen heute nicht mehr aktuell wären, auch wenn sie das in der SPD vielleicht nicht mehr sind.
Oh nein! Nicht Schmidt!
Doch! Doch!
Schmidt gibt bei der Beantwortung der Frage: „Was bedeutet heute eigentlich ,rechts’?“ eine Standortbestimmung ((Helmut Schmidt: Was bedeutet heute eigentlich “rechts”? politik und zeitgeschichte. beilage zur wochenzeitung das parlament B 4/63 23. Januar 1963 S. 8-12)).
Als wahrer Weiser weiß er um das menschliche Unvermögen und weist zunächst einmal auf ein Problem hin: Die geisteswissenschaftlichen Begriffe sind nämlich nicht klar definiert. Was ist schon rechts, was ist schon links? Macht Florian Silbereisen Kunst oder schnulzt er nur? Lässt sich das sagen? Gibt es einen Unterschied zwischen E und U? Was ist gut, was ist böse? Die Grenzen, ach, sie sind fließend. Dürfen wir urteilen, dass ein sadistischer Mord an einem Kind nicht gut, sondern böse ist, auch wenn das Kind nicht immer artig war?
Schmidt, der Weise, stellt also zunächst einmal grundsätzlich fest: „,Rechts’ und ,links’ sind offensichtlich sehr relative Begriffe.“ ((Die pedantische Anmerkung sei gestattet, dass es sich bei „rechts“ und „links“ „offensichtlich“ nicht um „Begriffe“ handelt. Fraglich ist auch, ob man „relativ“ durch den Zusatz „sehr“ steigern kann.))
Und daher ist die Frage: „Was bedeutet heute eigentlich rechts?“ für Schmidt natürlich nur „schwer zu beantworten“: „Wenn ich mich selbst frage, ob ich ein Linker bin – so müsste ich sagen: wahrscheinlich“.[htsP anchor_text = “Weiterlesen”]
Nanu? Man könnte also ebensogut sagen, dass Schmidt – und seine SPD – vielleicht ein Rechter sei, zumal er bekennt, „dass ich auch an manchen Tendenzen und Auffassungen in der FDP und in der CDU Gefallen finde.“ (Die AfD gab es damals noch nicht.)
Rechts ist links und links ist rechts. Hauptsache in der Mitte! Ohje, da fällt Orientierung allerdings schwer. Da kann man schon mal ins Stolpern kommen und auf die Nase fallen!
Vielleicht sei der Begriff „rechts“, so meint Schmidt, gar nicht mehr brauchbar.
Aber kann man rechts nicht einfach mit “konservativ” gleichsetzen?
Nun bezeichnet rechts oder links einen Standpunkt, während „konservativ“ eine Haltung benennt, die je nach dem, worauf sich diese Haltung bezieht, unterschiedlich bewertet werden kann bzw. sollte. Es macht ja schon einen Unterschied, ob man für die Bewahrung der Umwelt eintritt oder für die Bewahrung der Folter.
Schmidt schilt als konservativ „die Parteifreunde, die krampfhaft (!) an tradierten, angeblich (!) ,marxistischen’ Theorien festhalten und sich weigern (!), ihre Theorien entsprechend der längst veränderten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Wirklichkeit zu korrigieren.“
Dass er diese Mitglieder seiner Partei Parteifreunde nennt , obwohl diese sich doch so störrisch weigern, ihr falsches Weltbild zu korrigieren, ehrt ihn. Diese Blinden wollen nicht sehen, „wie ja auch die Exklusivität der Schichten und Klassen in einer fortgeschrittenen modernen Gesellschaft fortlaufend abnimmt. Und mit steigender Mobilität der Gesellschaft verliert der alte Klassenbegriff etwa Engelsscher oder Marxscher Prägung seinen Inhalt.“
Gut, dass Schmidt die steigende Mobilität der Gesellschaft noch rechtzeitig gesehen hat, da sie sich ja zunehmend versteckt.
Die von ihm u.a. angeführte Kennzeichnung von rechter Politik, nach der „rechts“ ein Leitbild der Oberschichten sei, „auf das sie sich als Formel einigten, um ihre Privilegien zu verteidigen“, sagt ihm nichts. Vielleicht kennt er nicht die Aussage des Godesberger Programms, nach der der Widerspruch beseitigt werden soll, „dass der Mensch die Produktivkräfte aufs höchste entwickelte, ungeheure Reichtümer ansammelte, ohne allen einen gerechten Anteil an dieser gemeinsamen Leistung zu verschaffen.“
Das war das Godesberger Programm; aber heute gilt ja wohl eher das Seeheimer Programm.
Na gut, na schlecht. Es ist ja alles eins.
Wissen wir, wo die SPD steht oder liegt? Rechts? Links? Irgendwo? Nirgendwo? Natürlich in der Mitte. Aber wo ist das? Wo soll bzw. kann der Wähler, ein scheues Reh, die Partei verorten, die er aus irgendwelchen Gründen wählen soll?
Aufklärung bzw. “lichtung” kann da wahrscheinlich wieder nur ein die Tiefen der Seele und des Seins ausleuchtender deutscher (Sprache!) Dichter schaffen wie Ernst Jandl:
„manche meinen lechts und rinks kann man nicht velwechsern werch ein illtum.“[/htsP]

 

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