Kanzler der Herzen

Gern hab’ ich die Frau‘n geküsst,
hab’ nie gefragt, ob es gestattet ist;
dachte mir:
nimm sie dir,
küss sie nur,
dazu sind sie ja hier!“

Hallo, Hallo! An alle! An alle! Hier spricht der „Kanzler der Herzen“.
Nein, nein, nein, ich bin k e i n Karrierist, sondern habe unheimlich (!) viel Charakter. Jawohl. Charakter ist für mich kein Fremdwort, auch wenn ich als Promovierter natürlich weiß, dass es eines ist.
Und nun zu meiner Kanzlerkandidatenkandidatur. Es ist nicht so, dass ich unbedingt Kanzlerkandidat werden wollte. Vielmehr: „Wir“ – ich spreche manchmal von mir als „wir“, weil ich sehr viel Respekt vor mir und meinem Charakter habe – „haben ein Angebot für unser Land gemacht, das keinem persönlichem Karriereplan folgte.“ Das hätte wohl niemand von mir erwartet. Aber das ist die reinste Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Wahrer geht nicht. Meine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur war ein völlig selbstloses Angebot, ja ein Opfer aus Kant’schem Pflichtgefühl, das ich dem Vaterland darzubringen bereit war. „Ich bin aus Verantwortung für das Land angetreten.“ So wahr ich Markus Söder heiße.


Ein ganzer Tapferer bin ich, musste schwer mit mir kämpfen, denn wir (Markus und Söder) sind beide stark. „Wir (also Markus und Söder) haben nicht gekniffen vor einer wirklich gewaltigen Herausforderung“. I bin ja ka Hosnbisler! – „Ich wollte mir nicht vorwerfen lassen, in einer solch schwierigen Phase für die Union zu kneifen.“ Ich kneife nie, und wenn, dann nur andere.
Opferwillig war ich, wie es kaum einer je gewesen – außer Jesus und Christus. Und wie dieser war ich bereit, das Kreuz auf mich zu nehmen. „Ich wäre bereit gewesen, diesen Dienst und die dann auch schwerste Zeit meines Lebens (!) auf mich zu nehmen. Wenn die Erwartungen der Menschen derart hoch sind, darf man sich nicht wegducken. Das ist eine Frage des politischen Charakters.“ Ich habe – das muss bei aller Bescheidenheit an dieser Stelle einmal gesagt werden – soviel Charakter, dass für andere schon gar kein Platz mehr ist. Ducken? sich verstecken? ein Markus Söder? Ich habe mich nie, niemals geduckt, vor niemandem. Erst „spät – nach intensivem Nachdenken und massiver Aufforderung aus der CDU und der Bevölkerung“ war ich zur Kandidatur bereit. Ja, da kann man halt nix machen, wenn alle drängen und flehen, zumal wenn man Charakter hat.
Gewiss, die Aufgabe erforderte meine ganze Kraft, ja, mehr als diese. Daher verspürte ich – da muss ich denn doch zugeben – zwar „ein wenig Enttäuschung, aber auch Erleichterung“ (!), als das Schicksal bzw. die CDU mich nicht erwählt hatte, denn: „Mit dem Gang nach Berlin hätte sich ja viel für meine Familie und mich geändert.“ Der Funkturm ist eben kein Watzmann. „Bayern ist meine Lebensaufgabe und bleibt es auch. Und sind wir ehrlich (!): nach wie vor das schönste Land der Welt.“ Ehrlich währt am längsten. Und was wahr ist, muss wahr bleiben. Und wahr ist halt: Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit.” Das hat schon einst der Adam, der von der Eva, zu seiner Zeit gesungen (1. Buch Moses, Kapitel 2, Vers 237b).
Mein Verzicht auf die Kandidatur zeigt – genauso wie meine Kandidatur selbst – gerade wieder meine unglaubliche Charakterstärke: „Ich habe ein Wort gegeben und dieses Wort habe ich gehalten … Auch das ist eine Frage des politischen Charakters.“
Die Entscheidung gegen mich – das muss ich an dieser Stelle dennoch deutlich aussprechen – ist undemokratisch, politisch rückständig gewesen und als solche letztlich nicht zu akzeptieren: „Den Glauben, dass politische oder personelle Entscheidungen heute noch in den Gremien völlig unabhängig von der Basis und den Erwartungen der Menschen gemacht werden können, halte ich nicht für zeitgemäß. Moderne Demokratie ist anders.“ – Und: „Ich stehe für eine Modernisierung.“ Denn Modernes ist, das weiß auch der Dümmste, überaus modern.
Obwohl mir schon immer klar war, dass es unmöglich ist, mich nicht zu lieben – nicht nur für die Frauen! – , hat es mich beinahe sprachlos gemacht, wie die Menschen mich mit ihrer Liebe überschüttet haben: „Ich war dann selbst überrascht und gerührt, wie groß der Zuspruch etwa in der Bundesfraktion war. Viele der Abgeordneten kannte ich ja gar nicht persönlich.“ Und auch viele meiner Anhänger im Land kenne ich ja gar nicht persönlich, und sie kennen mich ja auch gar nicht persönlich. Trotzdem ist es wie ein Wunder: Sie lieben und verehren mich und meinen ganzen Charakter.
Und doch  – wie konnte es möglich sein? – gab es tatsächlich ein Komplott, und zwar von einer winzigen, aber mächtigen Gruppe, die geheim in kleineren, hinteren Zimmern tagte: „Es gibt eine eng verbundene Beratergruppe aus Wolfgang Schäuble, Friedrich Merz und Annegret Knapp-Karrenbauer. Ich selbst dagegen habe Unterstützung aus dem Reihen der Ministerpräsidenten, der Landesvorsitzenden und Abgeordneten sowie der Basis bekommen.“ Auch Benedikt XVI. hat mich, soviel ich weiß, unterstützt, weil er auch ein ganz Frommer ist. .
Trotz all dem Zuspruch, dieser ungezügelten, wilden Liebe zu mir und meinem Charakter habe ich – und das muss ich mir hoch anrechnen – schließlich verzichtet. Denn: „Was wäre gewesen, wenn die Fraktion für Söder entscheidet und der CDU-Vorstand es nicht akzeptiert?“ Man mag es sich nicht vorstellen! Da war ich als Politiker mit Charakter natürlich gefordert: „Für ein solches Chaos wollte ich nicht die Verantwortung tragen. Uns (Markus und Söder) geht es um die Verantwortung für das Land“ und nicht – ich kann es gar nicht oft genug wiederholen – um die Karriere!
Allerdings eines kann ich nicht ungesagt lassen – das gebietet mir mein Charakter: Ein Beschluss sollte „breite Akzeptanz und Rückhalt haben. Nicht nur in der Partei, sondern auch bei den Menschen im Land.“ Wird das die herz- und charakterlose Dreierbande jemals lernen?
„Wir müssen Politik mit Herz und Verstand machen.“ Und großes Herz und Verstand im Überfluss habe ich nun allerdings wahrhaftig. Daher fliegen mir ja auch massenhaft die fremden Herzen zu, und man nennt mich mit Recht Kanzler der Herzen.
Noch ein Wort zum Schluss: Ich brauche kein Trampolin, um mich emporzuschwingen. Ich halte das Trampolin für genauso wenig modern wie das Rhönrad. Und wenn es um Sportlichkeit geht und um Charakter, so können meine Kumpel von der feucht fröhlichen Burschenschaft Teutonia viel von meiner Stehkraft erzählen.
(Zitate aus dem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 24.4.21)

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