Der Knoten
Als ich in den Jugendtagen
Noch ohne Grübelei,
Da meint ich mit Behagen,
Mein Denken wäre frei.
Seitdem hab ich die Stirne
Oft auf die Hand gestützt
Und fand, dass im Gehirne
Ein harter Knoten sitzt.
Mein Stolz, der wurde kleiner.
Ich merkte mit Verdruss:
Es kann doch unsereiner
Nur denken, wie er muss.
(Wilhelm Busch)
So ein Gedicht hat ja immer etwas Erhebendes, auch wenn es nicht um das im nebligen Tannendickicht flötende Rotkehlchen, sondern um die das eigenständige Denken hindernden Hirnknoten geht. Trotzdem soll noch etwas sehr Prosaisches angehängt werden: Die Labour Party hat seit einiger Zeit einen neuen Vorsitzenden, James Corbyn. Leider ist er etwas unorthodox, d.h., er schwimmt nicht ganz selbstverständlich im Mainstream. Ach, du meine Güte: Nicht nur Vegetarier, sondern auch Linker. Beides geht natürlich gar nicht. Die ,moderaten’ Labour Abgeordneten empfinden ihn deshalb – anonym gegenüber der konservativen, also der gesamten Presse – als „Witz“. Sie ärgert vor allem auch, dass diese Witzfigur in der Vergangenheit so oft Recht hatte mit seinen eigenwilligen Meinungen und dass sie heute allgemein anerkannt sind: seine Parteinahme gegen die Apartheid in Südafrika, seine Ablehnung des Irak-Krieges, sein Kampf gegen die unregulierten Finanzmärkte, seine Forderung, mit den Aufständischen in Nordirland zu verhandeln, um den Konflikt zu beenden u.ä.m. Er hat sich immer eigene Gedanken gemacht. Kann man so einen ernst nehmen?
Übrigens: Da sich auch in Großbritannien unter den Konservativen “die Schere zwischen Arm und Reich so sehr geöffnet hat”, will Corbyn Unternehmensgewinne höher besteuern und dafür sorgen, “dass die Reichen mehr zum Gemeinwohl beitragen”, will gar die Studiengebühren abschaffen, ist gegen britische Atomwaffen sowie gegen den militärischen Interventionismus. Kurz, sein Programm ist was? Jaaaaaaaaaaaa, es ist “in weiten Teilen populistisch”[ref]Christian Zaschke “Süddeutsche” 5.9.15[/ref].