Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los
Herbst, Wahlkampf! Winde loslassen! – Geht klar, Friede! Mach’ ich, Mathias!
Eine gewisse Andrea Seibel, obwohl ja eigentlich ein Herr angesprochen war, erweist sich in ihrem Leitartikel der „Welt“ vom 13.8.13 als großartige Windmacherin und gar als echtes Flintenweib im Kampf gegen den altbösen Feind, als heilige Johanna, in den Reihen „der Tatkräftigen, der Macher, der Anpacker, der Ideengeber und Neugierigen wie Selbstsicheren, der Freien und Selbstständigen, die nicht warten und nach dem Staat rufen, sondern einfach machen“.
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„Vielleicht ist dieser Frühling der letzte, den du siehst. Das gab allen Äußerungen des Lebens eine nicht zu beschreibende Intensität. Aus diesem Gefühle heraus ist jener seltsame Wunsch Stendhals zu verstehen: la perfection de la civilisation serait de combiner tous les plaisirs délicats du XIXe siècle avec la présence plus fréquente du danger. Oder wie Schiller männlicher und ohne den dekadenten Anhauch sagt:
Und trifft es uns morgen, so lasset uns heut
Noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit.“ [ref]Ernst Jünger In Stahlgewittern[/ref]
Ja, es geht um Leben und Tod. Der Freudentrank ist in Gefahr? [ref]„Brüder(le) fliegt von den Sitzen,/wenn der volle Römer kraißt,/Läßt den Schaum zum Himmel sprützen“, ahnte schon Schiller im Lied an die Freude.[/ref] Die Andrea-Seibel-Truppe sieht sich umzingelt, denn „hierzulande regieren die […] Miesmacher und Umverteiler“. Im Kampf gerät man leicht in einen Blutrausch. So sieht man dann im Rausch die Merkel als Regierende beim Umverteilen. Ach, was, ist gar nicht gemeint? Ist etwa das Umverteilen von unten nach oben gemeint? Auch nicht? Der Artikel lädt aber auch ein zu Missverständnissen. Die fehlende Klarheit muss wohl mit dem verwirrenden Getümmel des Klassenkampfes entschuldigt werden. Wenn etwa von der „Überversorgung breiter Bevölkerungsschichten“ die Rede ist, „die weder Steuern zahlen noch arbeiten“, dann kann damit eigentlich nicht die Oberschicht gemeint sein, die von ihren Einkünften aus in Steueroasen angelegtem Kapital lebt. Denn wäre sie gemeint, könnte man ja nicht von einer „breiten“ Bevölkerungsschicht reden. Es handelt sich vielmehr um eine relativ s c h m a l e Bevölkerungsschicht mit „breitem“ Kapital. Und bei dieser kann natürlich auch keine Rede davon sein, dass sie eine „konsumorientierte Daseinsfürsorge, aber keine Freiheitsfürsorge, die ihre Mündigkeit stärken könnte“ erhält; es können damit wirklich nur die Hartz IV-Empfänger gemeint sein.
Der alt böse Feind
mit Ernst er’s jetzt meint;
groß Macht und viel List
sein grausam Rüstung ist,
auf Erd ist nicht seinsgleichen.
Der Bruder Hinkefuß tarnt sich “mit viel List” auch auf so gemeine Weise, dass „viele verkennen, dass eine gewisse Ungleichheit zwischen den Menschen notwendiger Motor gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklung ist.“ Aber hier ist bereits der Gegenangriff der tollen Johanna-Andrea-Seibel-Truppe mit Hilfe einer Nebelkerze aus Beständen moderner deutscher Wehrkraft erkennbar: Denn in Wirklichkeit gibt es ja niemanden, der eine „gewisse“ Ungleichheit – ho, ho, raffiniert! – beseitigen wollte; es geht ja in Wahrheit nur um das Unmaß. Und dieses Unmaß, so meint nicht nur Joseph Stiglitz, zerstört Gesellschaft und Wirtschaft. Es geht eben um den Klassenkampf von oben.
„Mit der gesäßgeografischen Zuordnung links und rechts ist dies nicht mehr zu erfassen.“
Ja, unfassbar!
Über „die gesäßgeografische Zuordnung“ der Autorin zu spekulieren wäre ordinär und gehört sich nicht. So verkneifen wir es uns. Auch im Krieg bleibt man Gentleman und überlässt der Dame heilige Kriegerin den Vortritt bzw. hier das Schlusswort:
„Es gibt zwei Deutschlands. Nicht Ost und West, nicht Nord und Süd: Sondern das der Vereinfacher […], über die man lachen könnte, würden sie nicht die öffentlichen Debatten so vergiften mit ihren Klassenkampf[…]parolen“.
Recht hat sie: Gut, dass es auch noch das andere Deutschland gibt, nicht wahr?
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