Bisher konnte man sich darauf verlassen: Es bliesen alle ins selbe Horn. Man konnte sich treiben lassen vom sanften Wind der Verblödung. Doch dann das: Im Feuilleton der „Süddeutschen“ plötzlich ein Artikel gegen die uns so lieb gewordene Schulpolitik (Christoph Türcke: Lehrer raus 10.2.16), der er – Schreck, lass nach! – neoliberale Ideologie unterstellt.
Oh, oh! Seid auf der Hut! Wehret den Anfängen! Das darf um Himmels willen nicht trendig werden. Bisher musste man sich ja nur gegen die uneinsichtigen Lehrer wehren, die sich an das altmodische Lernen klammerten und frustriert über pädagogische Experimente jammerten, bloß weil sie nicht Neues lernen wollten.
Aber zum Glück: Der Mensch ist denkfaul. Er neigt zur Bequemlichkeit, suhlt sich in der Gemeinschaft. Wenn das doch alle sagen, wenn das doch „progressiv“ ist …
Achtung, deshalb gilt es am progressiven Image dieser Schulpolitik festzuhalten.
Die einzige politische Opposition in der Schulpolitik, die FDP, hat es noch nicht kapiert: Die heutige Schule fördert zwar keine Leistung, dient aber trotzdem der Klientel der FDP. Denn wenn das Abitur entwertet ist, leisten sich diejenigen, die es sich leisten können, Privatschulen, und diejenigen haben das Nachsehen, die es sich nicht leisten können, aber aufgrund ihrer Begabung gern mehr leisten würden. Die Aussage: „Leistung muss sich lohnen.“ ist ja nicht falsch, wenn sie dazu verwendet wird, diejenigen zu schützen, für die sich in Wahrheit das Nichts-Leisten lohnt, weil ihre Leistung darin besteht, ihr Kapital zu verwalten.
Wenn die Linken oder die vermeintlich Linken von der SPD die neue Schule eingeführt oder unterstützt haben, dann taten sie es aufgrund des lobenswerten Wunsches, die – sozial – Benachteiligten zu fördern. Dass dieses Schulkonzept in der Praxis zu einer Gleichmacherei, allerdings auf dem Niveau der Leistungsschwachen, führt, das haben die „Progressiven“ zum Glück noch nicht kapiert. Geschickt konnten auch diejenigen von der CDU diesem Anliegen sozialer Gerechtigkeit Beifall spenden, die wie die FDP ihre Privilegien in Gefahr und die Rettung in den Privatschulen sahen. Über den Beifall von der falschen Seite, also der CDU, durften die vermeintlich Linken sich zwar wundern, mussten es aber nicht. Und die allgemeine Verblödung ist ja, wie man dank RTL2 usw. weiß, den Zielen der Verfechter neoliberaler Ideen durchaus förderlich[ref]wenn man von dem Problem absieht, dass die Verblödung auch rechtsextreme Tendenzen begünstigt, die eventuell den Interessen dieser Schicht nicht förderlich sein könnten.[/ref].[dropdown_box] Wir dürfen nicht müde werden, immer wieder das Gleiche vorzubringen, nämlich welche ungeheuren finanziellen Vorteile – Sparen! – es bringt, wenn man die Schulen zusammenführt, zu großen Gemeinschafts-, Stadtteil-, Gesamtschulen. Die (ober)lehrerhafte Frage, ob große Schulen für das Lernklima förderlich ist, muss in diesem Zusammenhang als nicht zielführend bagatellisiert werden.
Beispiele, wie man die geistige Verarmung fördern kann?
In den Fremdsprachen lässt man die Grammatik möglichst weg, und tut so, als wenn man in den wenigen Stunden bzw. in den wenigen Momenten der Stunden, in denen man die Sprache spricht, sich Sprachmuster einprägen könnte. Aber selbst wenn zwei Schüler, die ja nicht „native speaker“ sind, mit einander kommunizieren, kann das kaum möglich sein. Zwar könnte man theoretisch das Ziel als erstrebenswert ansehen, nämlich sich zunächst einmal in der Fremdsprache, wenn auch fehlerhaft bzw. mit Händen und Füßen zu verständigen; wer aber mehr lernen will, also auch grammatisch einigermaßen korrekt zu sprechen und zu schreiben, wer nicht nur die Lektionstexte des Lehrbuchs, sondern auch andere unbekannte Kommunikation hörend verstehen möchte, der hat wenig Chancen. Denn das würde einen sehr, sehr differenzierten Unterricht erfordern, was aber nur unter Einsatz einer enorm vergrößerten Menge an Lehrern möglich wäre, da ein einzelner Lehrer nicht für eine Stunde von 45 Minuten mit zwanzig individuell verschiedenen Schülern zwanzig verschiedene Unterrichtsentwürfe planen kann, die diese Schüler dazu bringt, 45 Minuten konzentriert in eifriger Gruppen- oder Einzelarbeit, ohne unter der Bank auf ihrem Handy Spielchen zu treiben, ihrem Lernerfolg entgegen zu streben. Und das bei 20 oder mehr Stunden Unterricht in der Woche plus Korrekturen. Aber die Konsequenz können wir nicht wollen: Unmengen neuer Lehrer einstellen – und bezahlen?!! Im Gegenteil, unser einziges Anliegen muss doch sein, zu sparen!
Oder – ha, ha – das individuelle Lernen im Deutschunterricht bei extrem heterogenen Lerngruppen: Die kompetenten und selbstlos arbeitenden Lehrer lassen den einen Schüler Lyrik analysieren, den anderen, der fast ein Analphabet ist, die Aussage eines BILD-Zeitungstextes verstehen lernen usw. Denn es sind ja alle, alle inkludiert. Die Tatsache, dass heterogene Lerngruppen schlechter zusammen lernen als homogene, unterstützt die angestrebte allgemeine Retardierung.
Und der Clou: Weil man ja, wie alle amerikanischen Psychologen versichern, niemanden mit einer kritischen Note verunsichern und damit den Lernerfolg mindern sollte, darf man nur gute Noten geben[ref]Aussage eines Hamburger Lehrers, der einst in der mündlichen Abiturprüfung seines Deutsch-Leistungskurses wegen seiner unfasslich guten Vorzensuren und der mangelnden Fähigkeiten seiner Schüler in der Prüfung zur Rede gestellt wurde: Ich musste gute Noten geben, weil sie so schlecht waren – sie hätten sonst nicht mitgearbeitet.[/ref]. Das führt zunächst zu einer Entwertung der Noten, des Abiturs, dann zu dessen Abschaffung. Und was tritt an seine Stelle? Hosianna! Donald Trump und teure private Lehrinstitute als Schulen oder Universitäten. Ach, USA, du hast es besser. Aber nicht mehr lange! Mit Bildung handeln! Welch ein herrliches neues Geschäftsfeld: Studenten der Unter- und Mittelschicht, die ein Leben lang die Schul- bzw. Studiengebühren abbezahlen müssen? Da muss einem doch das Herz aufgehen. Ahaaa!
Money, money, money
Must be funny
In the rich man’s world
Money, money, money
Always sunny
In the rich man’s world
Aha-ahaaa[/dropdown_box]