Ach, wie sie schwärmen!

Stare„Leicht ist es nicht, die Geduld zu bewahren, schon gar nicht, wenn man das Gefühl hat, dass es wirklich genug ist“, schreibt Alexander Mühlauer in der “Süddeutschen Zeitung” voller Verständnis für die Unterhändler der EU und EZB, die „großzügig“ Geld zuschießen und überhaupt so lieb sind zu den Griechen.
Leicht ist es nicht, die Geduld zu bewahren, schon gar nicht wenn man das Gefühl hat, dass es wirklich genug ist. Der Himmel ist dunkel von den Schwärmen; sie folgen lustvoll einer dem anderen. Ach, wie fühlen sie sich herrlich aufgehoben im Schwarm.
Herrn Theveßen, dem stellvertretenden Chefredakteur beim ZDF, kann man es nicht vorwerfen. Er hat so Karriere gemacht und will weiter vorankommen[ref]http://m.heute.de/ZDF/zdfportal/xml/object/39249506[/ref]. So biedert er sich im Kommentar des „heute-journals“ mit hochtrabend formuliertem[ref]War anscheinend auf dem Gymnasium, hatte Latein![/ref], aber ignorantem Geschwätz an: Tsipras sei die „institutionalisierte Verantwortungslosigkeit“. Merkel müsse „ihr Ansehen, ihre auctoritas“ (hört! hört!) riskieren, sie müsse Schäuble stützen mit seinem Eintreten für einen zeitweiligen Grexit. Denn die Griechen halten sich ja nicht an Regeln, und das ist nun mal ganz, ganz schlimm. Regeln sind immer gut, auch wenn sie schlecht sind. Die Regeln der Gläubiger schreiben vor, wie die Griechen ihre Zahlungsbilanz und ihren Haushalt ins Lot zu bringen, welchen Haushaltsüberschuss sie zu erzielen, welche Sozialausgaben sie zu mindern oder zu streichen, wie sie ihre Staatsverwaltung einzurichten, ihr Steuersystem umzuformen, ihr Wirtschaftssystem anzukurbeln haben. Regeln, die ein Land “in ein Protektorat auf Zeit verwandeln”[ref]Cerstin Gammelin in der “Süddeutschen” 15.7.15[/ref]: alles akkurat geregelt! Den Erfolg solch wundervoller Regeln unter Tsipras Vorgängern ignorieren wir.[ref]Die Erfolgsquote des IWF ist laut einer Untersuchung der UNCTAD „An Analysis of IMF Condiotionality“ ohnehin generell sehr gering.[/ref]
Na ja, wegen solcher Aussagen hat der Theveßen ja seinen Posten bekommen, oder warum?
Aber die anderen alle … [dropdown_box]
Ihr ewiges Gerede über die bösen Griechen: „An der Eskalation trägt diese schrille Regierung deren Protagonisten ganz links oder ganz rechts stehen, die Hauptschuld.“[ref]Kurt Kister Süddeutsche Zeitung 29.6.15[/ref] Mal wird sie als stur beschimpft, weil sie immer das Gleiche, nämlich Restrukturieren der Schulden, fordert, mal als wankelmütig, weil sie sich der Erpressung zu entziehen sucht, aber eben doch nicht so handeln kann, wie sie es für richtig erachtet.
Unseriös sind nur die, die keine Krawatte tragen.
Paul Krugman trägt zwar eine Krawatte,Klugman aber vielleicht ist sie zu extravagant. Kein Vergleich mit der von Wolfgang BosbachBosbach2 oder gar von Wolfgang Schäuble!Schäuble2[ref]Fotos: Bosbach Laurence Chaperon CC BY-Sa 3.0 de, Schäuble Armin Kübelbeck CC BY-SA 3.0[/ref] Krugman nämlich ist ein „notorischer Quälgeist“[ref]SZ 10.7.15[/ref], der sich an einer „Hasskampagne“ gegen Deutschland beteiligt und „täglich Gift und Galle gegen Merkels vermeintlichen Sparwahn spuckt“[ref]Nikolaus Piper “Süddeutsche” vom 14.7.15[/ref]; den Text einer Oper zitierend wird er als „blasiert, anmaßend, besserwisserisch“ beschimpft.[ref]Seinen Artikel in der Süddeutschen vom 14.7.15 hat Nikolaus Piper überschrieben mit “Der Aktivist. Paul Krugman, ein Ökonom mit klaren Feindbildern”. Man könnte ihn allerdings auch überschreiben mit “Nikolaus Piper, der Aktivist mit klaren Feindbildern”.[/ref] Warum?
Er ist Amerikaner, Wirtschaftsnobelpreisträger – an der Krawatte allein kann es doch nicht liegen? Fährt er Motorrad? Nein, allerdings fährt er Fahrrad. (Er hat sich gerade auf eine mehrtägige Fahrradtour begeben.) Seine Meinung über die verfehlte Griechenland-Politik der EU teilt er mit „praktisch der gesamten Zunft“ der amerikanischen Volkswirtschaftler, wie u.a. dem früheren Chefökonom der Weltbank Joseph Stiglitz, dem Wirtschaftsnobelpreisträger Amartya Sen (über Griechenlandauflagen: “toxische Mischung aus Antibiotika und Rattengift”) oder dem ehemaligen Chefökonomen des IWF Kenneth Rogoff. „Für sie muss zunächst Wachstum da sein, notfalls auch solches, das vom Staat auf Pump finanziert ist. Erst dann – und nur dann – kann die Sanierung des Haushalts gelingen, ohne dass es zunächst zu einem massiven Konjunktureinbruch und Massenarbeitslosigkeit kommt.“[ref]ebd.[/ref] Aber dagegen steht doch die schwäbische Hausfrau! Für einen Schwarmjournalisten stellt sich die Frage: Wie kann man die Ehre der schwäbischen Hausfrau retten und den reputierten Wissenschaftler ins Unrecht setzen angesichts der Fakten, d.h. jahrelanger Rezessionen, Jugendarbeitslosigkeitsquoten von 50%, dem Anwachsen des Schuldenbergs in Griechenland? Die Lösung: Indem man ,weise’ relativiert: „Wer recht hat in dem Streit, ist eine Glaubensfrage.“[ref]ebd.[/ref] Aha, endlich Schluss mit Wissenschaft und empirischen Belegen! Ein auch bei der BILD-Zeitung beliebtes Mittel ist zudem, dass man die Position der Gegenseite, also Krugmans, entstellt: „Was immer auch passieren mag, neue Schulden, niedrigere Zinsen und höhere Staatsausgaben sind immer richtig. Sparpolitik oder Austerität ist immer falsch.“[ref]Nikolaus Piper in der “Süddeutschen“ 14.7.15[/ref] Ganz schlimm auch, dass dieser total verblendete Krugman doch tatsächlich den Gläubigern „reine Rachsucht“ unterstellt, auch wenn diese mit maliziösem Lächeln verkünden, dass das von Tsipras zuletzt akzeptierte Angebot schlechter war als das vor dem Referendum. Das hat der Tsipras sich selbst zuzuschreiben. Haha. Da haben sie es ihm aber gezeigt. Rachsucht? I wo! Zwar verweigern sie Griechenland die 7 Milliarden Nothilfe, die es bräuchte, um in der Lage zu sein, innerhalb einer Woche die die Forderungen des EZB und des IWF zu begleichen, und hindern sie letztlich daran, die Auflagen zu erfüllen, zu denen sie das Land gezwungen haben. Nein, um Himmels willen, das ist nicht Rache, sondern ganz simpel europäische Solidarität. Wahrhaftig, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Als sich dann auch noch Jeffrey Sachs und Thomas Piketty mit einem offenen Brief an Frau Merkel einmischen, darf ihnen Andrian Kreye vorhalten: „Mit dem Einstieg in die politische Arena beraubt sich die Wissenschaft ihrer stärksten politischen Waffe: des wissenschaftlichen Arguments.“ Die Wissenschaft solle sich wie der Journalismus „bewusst am Rande halten, um eine neutrale Instanz zu bleiben.“[ref]„Süddeutsche“ 10.7.15[/ref] Huch?!
Ach ja, die Medien – die neutrale Instanz. So muss es sein, so wird es sein, so ist es!
Besinnungslos haben sie auf Varoufakis eingeprügelt. Aber nach seinem Rücktritt darf Ulrich Schäfer in der Süddeutschen [ref]7.7.15[/ref] immerhin schreiben „Was von Varoufakis bleibt“: Er habe „die richtigen Fragen aufgeworfen, die richtigen Themen angesprochen“: Sie betreffen “das Design der europäischen Krisenpolitik, die Verteilung der sozialen Lasten, einen Schuldenschnitt und das Problem, dass man eine labile Wirtschaft abwürgt, wenn man zu sehr spart.“ Die griechische Wirtschaft war „sehr labil“, als das Land in Not geriet; „sie war viel schwächer als die Wirtschaft in Portugal oder Irland“. „Zu Recht hat Varoufakis kritisiert, dass die Einschnitte, die die Vorgänger-Regierungen auf Druck der Troika umgesetzt haben, viel zu sehr die Armen, die Schwachen getroffen haben und dass die Milliarden aus dem Hilfsprogramm am Ende auf Umwegen vor allem bei den Banken gelandet sind.“[ref]Auch mit seiner Kritik an Varoufakis hat er Recht: Er hätte sich bemühen müssen, weniger arrogant zu erscheinen, und er hat seine Forderungen nach stärkerer Besteuerung der Reichen und nach Einsparungen beim Militär nicht durchgesetzt. Wie weit zudem die Bekämpfung der Korruption gediehen war, bleibt unklar. Aber auch der von Bofinger vorgeschlagene Lastenausgleich wäre eine gute Sache gewesen.[/ref] Eine Leserin bezeichnet die nachträgliche Würdigung als „Feigenblatt“ und schreibt mit bitterem Sarkasmus: „Bravo, nach monatelangen Verunglimpfungen ohne jede inhaltliche Auseinandersetzung, darf nun einmal geschrieben werden, was der Mann eigentlich wollte und dass er in vielem recht hat.“
Jürgen Habermas: „Zur postdemokratischen Einschläferung der Öffentlichkeit trägt auch der Gestaltwandel der Presse zu einem betreuenden Journalismus bei (…) Arm in Arm mit der politischen Klasse”.[/dropdown_box]

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